Lincoln

Steven Spielberg hat sich bereits mit seinen Werken „Die Farbe Lila“ (1985) und „Amistad“ (1997) mit der Sklaverei beschäftigt und dabei eine sehr humanistische Botschaft vermittelt. Mit „Lincoln“ folgte 2012 – unmittelbar nach Barack Obamas Wiederwahl zum US-Präsidenten – eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema, allerdings nicht von einer so persönlichen Perspektive der Betroffenen, sondern auf der rein politischen Ebene, die vor allem auf das politische Vermächtnis des 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Abraham Lincoln, heruntergebrochen wird.
Lincolns von 1861 bis zu seinem Tod am 15. April 1865 andauernde Präsidentschaft war vor allem von einem großen Thema bestimmt: Mit der Wahl des bekennenden republikanischen Sklavereigegners haben sich insgesamt elf sklavenhaltende Südstaaten von der Union losgesagt und mit den Konföderierten Staaten von Amerika einen eigenen Staatenbund gegründet, gegen die Lincoln mit den verbliebenen Nordstaaten in den sogenannten Sezessionskrieg gezogen ist. Der 1864 wiedergewählte US-Präsident Lincoln (Daniel Day-Lewis) setzt alles daran, nicht nur den Krieg zu beenden und die Bundesstaaten wieder zu vereinen, sondern auch die Sklaverei abzuschaffen, wofür er den 13. Zusatzartikel noch vor Kriegsende zur Verfassung zur Abstimmung durch den Kongress bringen will. Allerdings bleiben ihm dafür nur wenige Wochen Zeit, um die nötige Zwei-Drittelmehrheit im Repräsentantenhaus zu erreichen. Dazu müssen nicht nur die Gegner in den eigenen Reihen überzeugt werden, sondern auch einige Abgeordnete der Demokraten. Die Abstimmung gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil im Kabinett vor allem darum gekämpft wird, den Bürgerkrieg zu beenden, notfalls auch bei Beibehaltung der Sklaverei. Zusammen mit seinem skeptischen Außenminister William Seward (David Strathairn) beginnt Lincoln die Jagd auf Stimmen, wobei seine Handlanger auch vor unlauteren Mitteln nicht zurückschrecken und die entscheidenden Kandidaten mit der Besetzung öffentlicher Ämter bestechen. Dagegen gehen dem Abgeordneten Thaddeus Stevens (Tommy Lee Jones), der mit seiner schwarzen Haushälterin in heimlicher Ehe lebt, Lincolns Bemühungen noch nicht weit genug. Auch in Lincolns Privatleben braut sich ein Unheil zusammen: Nachdem Lincoln und seine Frau Mary (Sally Field) bereits einen Sohn im Krieg verloren haben, wollen nicht zulassen, dass auch ihr Sohn Robert (Joseph Gordon-Levitt) sein Studium abbricht, um in den Krieg zu ziehen …
Es war ein lange gehegtes Traumprojekt von Steven Spielberg, das Leben von Abraham Lincoln zu verfilmen, der fraglos zu den bemerkenswertesten und wichtigsten Präsidenten der USA zählt und vor allem durch die Abschaffung der Sklaverei in Erinnerung bleiben wird. Doch nachdem Liam Neeson („Schindlers Liste“) sich offenbar zu alt für diese Rolle gefühlt hatte und ein ursprünglicher Drehbuchentwurf von John Logan („Aviator“, „James Bond 007: Skyfall“) Lincolns Leben von Beginn an abgebildet hatte, konzentrierte sich Tony Kushner („München“) letztlich nur auf die entscheidenden letzten Jahre in Lincolns Leben, bevor er als erste US-amerikanischer Präsident einem Attentat zum Opfer fiel. Er stützte sich dabei auf Doris Kearns Goodwins Sachbuch „Team of Rivals: The Political Genius of Abraham Lincoln“ und bringt gekonnt das unermüdliche Ringen des Präsidenten um die Durchsetzung des Themas zum Ausdruck, das ihm während seiner Amtszeit besonders am Herzen lag.
Steven Spielberg und sein Kameramann Janusz Kaminski fanden sehr düstere Bilder für die abgedunkelten Wohnräume und Büros, in denen Lincoln vor allem mit seinem Außenminister diskutierte, aber auch einfache Bürger empfing, um ihre Meinungen einzuholen und Sorgen anzuhören. Bereits die ersten Szenen, die das grausame Kampfgeschehen auf den schlammigen Schlachtfeldern und Lincolns Gespräche mit einfachen weißen wie schwarzen Soldaten einfangen, spielen sich ganz im Dunkeln ab und setzen so den Ton für dieses düstere Kapitel in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika.
Akribisch fängt „Lincoln“ die politischen Debatten im Kabinett ein, das Einholen von gegnerischen Stimmen, die Art von Überzeugungsarbeit und Bestechungen, um sein Ziel zu erreichen. Selbst Falschmeldungen gehören zum Geschäft dazu. Auch wenn sich „Lincoln“ wie ein episches, in düstere Bilder eingefangenes Kammerspiel präsentiert, ist es Kushner und Spielberg gelungen, den Weg zu dieser eminent wichtigen politischen Entscheidung durchweg spannend zu gestalten. Dabei kommen die privaten Probleme zwar etwas sehr kurz, dafür sind die politischen Debatten so leidenschaftlich und lebendig in fein geschliffenen Dialogen inszeniert, dass es eine Freude ist, den durchweg illustren Cast miteinander im rhetorischen Wettstreit zu erleben.
Daniel Day-Lewis („There Will Be Blood“, „Gangs Of New York“) verschmilzt in seiner zurecht Oscar-prämierten Darstellung quasi mit seiner Rolle, aber auch Tommy Lee Jones („Auf der Flucht“, „No Country For Old Men“), David Strathairn, Sally Field, James Spader u.v.a. machen „Lincoln“ zu einem wunderbar unterhaltsamen Ensemble-Stück, das zu den besten Werken von Steven Spielberg zählt und neben den zwei Oscars für Daniel Day-Lewis und das Szenenbild noch weitere Nominierungen in den Kategorien Bester Film, Bester Nebendarsteller (Tommy Lee Jones), Beste Nebendarstellerin (Sally Field), Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Kamera, Bester Schnitt, Bestes Kostümdesign, Beste Filmmusik (natürlich John Williams) und Bester Ton erhielt.
"Lincoln" in der IMDb

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