Amistad

Mit seinem Oscar-prämierten Meisterwerk „Die Farbe Lila“ (1985) hat sich Steven Spielberg nicht nur als Regisseur für ernste Stoffe etabliert, sondern sich auch erstmals der Thematik der Befreiung schwarzer Sklaven beschäftigt. Mit „Amistad – Das Sklavenschiff“ kehrte er 1997 zu diesem Thema zurück und verfilmte eine ebenso packende wie wahre Geschichte, die er allerdings sehr freizügig für seine eindringliche Botschaft umgestaltete.
Das spanische Segelschiff „La Amistad“ befindet sich 1839 gerade auf dem Weg von Kuba nach Spanien, um dort etwa fünfzig schwarzafrikanische Sklaven abzuliefern, als sich zunächst Sengbe „Cinque“ Pieh (Djimon Hounsou) aus seinen eisernen Fesseln befreien kann und mit den von ihm ebenfalls von ihren Ketten erlösten Leidgenossen die Gewalt über das Schiff gewinnt. Sie lassen nur zwei spanische Seeleute am Leben, die sie nach Afrika zurückbringen sollen. Unterwegs werden sie jedoch von einem amerikanischen Schiff aufgebracht und nach Amerika gebracht, wo vor einem Gericht in Connecticut entschieden werden soll, was mit den Sklaven geschehen soll. Gleich mehrere Parteien erheben nämlich Anspruch auf die Gefangenen: Neben der kindlichen spanischen Königin Isabella II. (Anna Paquin) sehen sich auch die beiden überlebenden Seeleute Ruiz und Montes und die US-amerikanischen Kommandeure, die das Sklavenschiff in ihren Besitz gebracht haben, als rechtmäßige Eigentümer der Schwarzen. Der junge Rechtsanwalt Baldwin (Matthew McConaughey) kann die beiden gegen die Sklaverei kämpfenden Theodore Joadson (Morgan Freeman) und Tappan (Stellan Skarsgård) überzeugen, ihre Sache vor Gericht zu vertreten. Um seine Argumentation zu den Eigentumsverhältnissen untermauern zu können, muss er allerdings beweisen, dass die Afrikaner weder aus Spanien noch aus den USA kommen, sondern auf neutralem Boden geboren und illegal in die Sklaverei verkauft worden sind. Von Cinque erfährt er über einen Dolmetscher, wie er als Angehöriger des Mende-Volkes von anderen Afrikanern gefangen und an weiße Sklavenhändler verkauft wurde. Baldwin trägt Cinques Leidensgeschichte so überzeugend vor, dass der Richter tatsächlich zu Gunsten der Verteidigung entscheidet. Doch Cinque und seine Landsleute freuen sich zu früh: Da US-Präsident Martin Van Buren (Nigel Hawthorne) befürchtet, dass das gesprochene Urteil einen Bürgerkrieg mit den Südstaaten führen könnte, legt er Berufung vor dem Obersten Gerichtshof ein. Baldwin sieht sich mit seinen Möglichkeiten am Ende und drängt den ehemaligen US-Präsidenten John Quincy Adams (Anthony Hopkins) dazu, mit seiner Erfahrung die Sache der Sklaven zu vertreten. Doch dazu muss auch Cinque, der nicht als Anführer seiner Gruppe angesehen werden will, seinen Beitrag leisten …
Die Produzentin Debbie Allen stieß 1984 zufällig auf eine Sammlung von Essays und Artikeln afro-amerikanischer Schriftsteller, Historiker und Philosophen, die sich mit den Ereignissen auf der „Amistad“ und ihren Folgen für die Befreiung der Sklaven auseinandersetzten. Allerdings stieß sie jahrelang auf kein Interesse in Hollywood, diese aufwühlende Geschichte zu erzählen, ehe sie Spielbergs „Schindlers Liste“ sah und ihn für das Projekt begeistern konnte. Während sich die Besetzung der weißen Darsteller und auch von Cinque als problemlos erwies, bereitete den Filmemachern die Suche nach geeigneten Amistad-Afrikanern weitaus mehr Schwierigkeiten. Als sie schließlich mit Hilfe von Casting-Leitern in Sierra Leone und einem britischen Casting-Agenten die geeigneten Kandidaten fanden, um die Stämme der Mende, Temne und Kissi zu repräsentieren, waren diese vor allem darin gefordert, die unsäglichen Qualen auf der „Amistad“ darzustellen.
Spielberg findet gleich zu Beginn verstörende Bilder, wenn er den schwitzenden Cinque unter Deck im Dunkeln versucht, die schweren Ketten an seinen Gliedmaßen zu lösen, um dann ein brutales Massaker zu zeigen, mit dem die befreiten Sklaven ihre Peiniger an Deck abschlachten. Da fällt es dem Zuschauer zunächst schwer, Sympathien für die Schwarzen zu entwickeln. Doch Spielberg erweist sich wieder einmal als geschickter Manipulator. Ähnlich wie es ihm bei „Schindlers Liste“ überzeugend gelang, die Wandlung des profitgierigen Industriellen Oskar Schindler zum engagierten Retter von unzähligen Juden zu beschreiben, berührt auch Cinques repräsentatives Schicksal, das er nach und nach vor Gericht und in den Gesprächen mit seinen Anwälten ausbreitet. Besonders eindringlich ist dabei die Sequenz gelungen, in denen die Sklaven auf dem Schiff in Reihe gekettet durch ein Netz von schweren Steinen von Bord in die Tiefen des Meeres gezogen werden, wo sie qualvoll ertrinken müssen, weil die Nahrungsvorräte nicht ausreichen, um alle Sklaven bis zur Ankunft in Spanien zu versorgen.
Aber die eigentlichen Helden in dem Film sind die weißen Anwälte, wobei das flammende Plädoyer des ehemaligen US-Präsidenten John Quincy Adams den Ausschlag für das historische Urteil des Obersten Bundesrichters gibt, auch wenn Spielberg hier eine Dramatik inszeniert, die historisch gesehen längst nicht die Bedeutung für die Sklaverei besaß, die er in „Amistad“ zum Ausdruck bringt. Auch wenn sich Spielberg hier etliche Freiheiten herausnimmt (so sind sich Cinque und Adams nie wirklich begegnet, und auch Adams‘ Rede vor dem Gerichtshof hat es nicht gegeben), so vermittelt er wie in „Die Farbe Lila“ und „Schindlers Liste“ auf bewegende Weise seine humanistische Botschaft.
Aus der prominenten Schauspieler-Riege ragen vor allem Matthew McConaughey („Der Mandant“, „Dallas Byers Club“) als engagierter Jung-Anwalt, Djimon Hounsou („Blood Diamond“, „Guardians Of The Galaxy“) als repräsentatives Opfer der Sklaverei und Anthony Hopkins als philosophischer Ex-Präsident. „Amistad“ gefällt aber auch durch das aufwendige Kostüm- und Produktionsdesign, die hervorragende, Oscar-nominierte Kameraarbeit von Janusz Kaminski und die afrikanisch angehauchte, ebenfalls Oscar-nominierte Musik von John Williams, die allerdings immer wieder unverhältnismäßig dick aufgetragen wirkt, wenn die Szenen doch für sich sprechen.
"Amistad" in der IMDb

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