Der Soldat James Ryan

Seit Steven Spielberg 1985 mit „Die Farbe Lila“ eindrucksvoll bewiesen hat, dass er auch ernsthafte Filme inszenieren kann, hat er eine erstaunliche thematische Vielfalt in seinen Werken entwickelt und neben feinstem Popcorn-Kino („Jurassic Park“, „Catch Me If You Can“, „Krieg der Welten“) regelmäßig erinnerungswürdige, zum Nachdenken anregende Filme produziert, die historische Ereignisse aufarbeiteten. Nach dem Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ (1993) und dem Sklaven-Drama „Amistad“ (1997) ließ er 1998 das Kriegs-Drama „Der Soldat James Ryan“ folgen, das auf fast dokumentarische Weise die Landung der US-amerikanischen Armee in der Normandie thematisiert, mit der Hitlers Truppen kriegsentscheidende Verluste beigebracht worden sind.
Am 6. Juni 1944 gehört Captain John Miller (Tom Hanks) zu denen, die mit ihren Soldaten in dem sogenannten Operationsgebiet „Omaha Beach“ in der Normandie landen sollen. Viele Soldaten werden auf den Landungsbooten bereits von deutschem Maschinengewehrfeuer niedergemäht, etliche weitere erwischt es am Strand. Nachdem Miller und seine Leute die deutschen Stellungen am Strand nach herben Verlusten erobern konnten, erhalten sie einen außergewöhnlichen Auftrag: Als General George Marshall (Harvey Presnell) im Hauptquartier der amerikanischen Armee vom Schicksal einer Frau Ryan aus Iowa erfährt, die drei ihrer vier Söhne bereits im Krieg verloren hat, erteilt er den Befehl, den vierten Sohn, Private James Ryan (Matt Damon), in der Normandie ausfindig zu machen und nach Hause zu schicken. Miller macht sich mit seinem Freund, Sergeant Horvath (Tom Sizemore), dem Scharfschützen Private Jackson (Barry Pepper), dem Übersetzer Corporal Upham (Jeremy Davies) sowie den einfachen Soldaten Reiben (Edward Burns), Caparzo (Vin Diesel), Wade (Giovanni Ribisi) und Mellish (Adam Goldberg) auf den Weg ins Landesinnere, wo Ryan als Fallschirmjäger vermutlich hinter den feindlichen Linien gelandet ist. Auch wenn einige seiner Leute nicht verstehen, warum sie für einen einzigen Soldaten ihr Leben aufs Spiel setzen sollen, machen sie sich auf den Weg, wobei sie immer wieder Feindberührung haben und die ersten Verluste hinnehmen müssen. Als sie Ryan endlich finden, will er jedoch nicht nach Hause geschickt werden, sondern weiterhin seinen Auftrag ausführen und dabei helfen, die strategisch wichtige Brücke bei Ramelle bei einem Vorstoß der Deutschen notfalls zu sprengen. Miller und seinen Leuten bleibt nichts anderes übrig, Ryans Kompanie beim Kampf gegen einen deutschen Sondierungstrupp zu unterstützen … Bereits mit dem Biopic „Schindlers Liste“ hat Steven Spielberg die Schrecken des Krieges thematisiert, dabei aber nicht die eigentlichen Kampfhandlungen bebildert, sondern den beklagenswerten Umgang der SS mit den Juden, von denen der Industrielle Oskar Schindler so viele wie möglich vor der Vergasung und Erschießung retten wollte. Mit „Der Soldat James Ryan“ zeigt der versierte Filmemacher aber die brutalen Ereignisse auf dem Schlachtfeld. Die elend lange Eingangssequenz vermittelt so realistisch, wie man es sich nur auf Leinwand vorstellen kann, das fürchterliche Niedermähen der US-amerikanischen Soldaten bei ihrer versuchten Landung in der Normandie am „D-Day“, die auch deshalb so verheerend ausfiel, weil die schwimmfähigen Scherman-DD-Panzer nicht wie vorgesehen zur Unterstützung eintrafen. Spielberg und sein wiederum für seine Arbeit Oscar-prämierte Kameramann Janusz Kaminski halten mit der Handkamera direkt auf das Geschehen drauf, fangen die verängstigten Gesichter auf den Landungsbooten ein, auf denen die Soldaten sich erbrechen oder beten. Ungeschminkt zeigt Spielberg dann die Folgen des Maschinengewehrfeuers, das Eingeweide aus den Körpern platzen lässt und Gliedmaßen abreißt. Anschaulicher lässt sich kaum bebildern, welche Schrecken der Krieg und das konkrete Kampfgeschehen verbreitet, wie brutal und beliebig er Menschenleben beendet und Familien zerstört.
Vor diesem Hintergrund erzählt Spielberg eine ganz persönliche Geschichte, nämlich die von Frau Ryan in Iowa, die an einem Tag vom Tod dreier ihrer vier Söhne erfährt, was den General in seinem Büro dazu bewegt, ihr die Nachricht von einem weiteren Todesfall ersparen zu wollen, wobei er sich eines Briefs von Abraham Lincoln erinnert, der unter ähnlichen Umständen einer Mutter schreiben musste, dass alle ihre Söhne im Krieg gefallen seien. Die Rettungsmission, die der von Tom Hanks wunderbar gespielte Captain Miller anführt, nimmt den größten Teil des Plots ein und macht deutlich, wie unterschiedlich die einzelnen Soldaten mit dem Auftrag und auch mit dem Vorgehen ihren Captain umgehen. Als Miller einen deutschen Soldaten laufen lässt, will einer seiner Männer sogar desertieren, aber während der Mission beweisen einzelne Soldaten auch grenzenlosen Mut bis zur Selbstaufopferung.
Die Begegnung mit den deutschen Feinden sorgt dabei immer wieder für Spannungsmomente und eindrückliche Szenen, die man so schnell nicht vergisst. Vor allem in dem kampfunerprobten Corporal kommen die tragischen wie heldenhaften Aspekte eines Soldaten zum Ausdruck, wenn er sich etwa nicht traut, seinen beiden Kameraden im Kampf gegen den Deutschen, den Miller zuvor laufen gelassen hatte, zur Hilfe zu eilen, der andererseits aber mit Patronengurten immer dorthin rennt, wo er gerade gebraucht wird. Indem Spielberg immer wieder konkretisiert, was der Krieg auf den Schlachtfeldern anrichtet, mahnt er gleichermaßen vor weiteren Kriegen. Da spielt es keine Rolle, dass Spielberg zwar zu Beginn und am Ende die amerikanische Flagge einblendet und sich bei seiner Geschichte ganz auf die US-amerikanische Seite konzentriert und die Alliierten überhaupt nicht berücksichtigt, denn die Schrecken des Krieges sind universell, egal, welcher Nation die kämpfenden Truppen angehören.
Der für elf Oscars nominierte Film erhielt am Ende fünf der begehrten Trophäen in den Kategorien Beste Kamera, Beste Regie, Bester Schnitt, Bester Ton und Bester Toneffektschnitt.
"Der Soldat James Ryan" in der IMDb

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