Die Geschichte der Adèle H.

François Truffaut hat schon viele Filme über die Liebe gedreht, über die mehr oder weniger normale Paar-Beziehung, über Dreiecksverhältnisse und kompliziertere Geschichten. Etwas schwieriger gestaltete sich die Umsetzung von France Vernor Guilles Buch „Le journal d’Adèle Hugo“, was den Erwerb der erforderlichen Rechte, das Interesse potenzieller Geldgeber und vertragliche Verpflichtungen der damals gerade mal 19-jährigen Hauptdarstellerin Isabelle Adjani anging. Doch Truffaut ließ sich von all diesen Hürden nicht aufhalten und inszenierte 1975 mit „Die Geschichte der Adèle H.“ einen seiner düstersten Filme. 

Inhalt: 

Als der französische Schriftsteller Victor Hugo im Exil auf der Insel Guernsey lebt, stirbt seine älteste Tochter bei einem Unfall, was seiner zweiten Tochter Adèle (Isabelle Adjani) enorm zusetzt. In London verliebt sie sich in den britischen Offizier Lt. Albert Pinson (Bruce Robinson) und folgt ihm und seinem Regiment, ohne ihre Familie davon zu informieren, unter dem Namen Mrs. Lewly nach Halifax, Neuschottland. Dort sind Mitte des 19. Jahrhunderts britische Truppen stationiert, um auf Seiten der Südstaaten in den amerikanischen Bürgerkrieg zu ziehen. Adèle findet in der Pension des warmherzigen Ehepaars Saunders eine Unterkunft und macht sich auf die Suche nach ihrem Geliebten. 
Wie sie bei einem Besuch in der Buchhandlung erfährt, scheint der Lieutenant nicht nur bereits eine neue Geliebte gefunden zu haben, sondern scheint durch seine Spielsucht auch hoch verschuldet zu sein. Als sie Pinson mit ihrer Liebe konfrontiert, will er davon nichts wissen, nimmt aber das von Adèle angebotene Geld als Darlehen an. Adèle schreibt indes bis tief in die Nacht endlos an ihren Tagebucheinträgen und Briefen, wird in ihrem unruhigen Schlaf immer wieder von Albträumen geplagt, in denen ihre Schwester Léopoldine ertrinkt, bis sie erschöpft auf der Straße zusammenbricht. 
Als sie Mrs. Saunders bittet, einen Brief für sie zu verschicken – an den berühmten Victor Hugo -, weiß die ganze Stadt, dass sich bei ihrer Untermieterin um die jüngste Tochter des weltbekannten Schriftstellers handelt. Adèle ist trotz der Drohungen, der zärtlichen Bitten ihres Vaters, nach Hause zurückzukehren, trotz Pinsons harscher, eindeutiger Ablehnung, wild entschlossen entschlossen, um ihre Liebe zu kämpfen. In einem ihrer Briefe an ihren Vater behauptet sie sogar, bereits mit Pinson verheiratet zu sein… 

Kritik: 

Mit „Die Geschichte der Adèle H.“ ist François Truffaut ein eindringliches Portrait einer leidenschaftlich, bis zum Wahnsinn liebenden jungen Frau gelungen, die Oscar-reif von der jungen Isabelle Adjani („Besessen“, „Subway“, „Die Bartholomäusnacht“) verkörpert wird. Von dem berühmten Namen ihres Vaters entfernt sie sich nicht nur räumlich, sondern nimmt auch einen anderen Namen an, verwickelt sich durch ihre unerwiderte Liebe aber immer mehr in ein Geflecht aus Lügen und Wahnsinn. Dabei lässt sich für das Publikum kaum verstehen, was diese junge, gebildete, aus wohlhabendem Hause stammende und schöne Frau an diesem Kerl nur findet. Nichts scheint liebenswürdig an diesem Mann, der zwar für sein britisches Vaterland kämpft, aber mehr auf das eigene Vergnügen bedacht ist. Frauen und Glücksspiel sind seine Leidenschaft. Da ist kein Platz für verzehrende, verbindliche Liebe, denn genau das ist, wofür Adèle lebt. Da sie ihre wilden Gefühle nicht ausleben kann, schreibt sie sie in ihrem Tagebuch, in ihren Briefen nieder, und Truffaut erweist sich als Meister darin, die Kommunikation in seinem Film weitgehend über Briefe und die Tagebucheinträge laufen zu lassen. 
Die düsteren Bilder von Néstor Almendros („In der Glut des Südens“, „Sophies Entscheidung“) und der teils lyrische, teils avantgardistische Score von Maurice Jaubert ergänzen dabei das ganz auf Isabelle Adjanis facettenreiche Spiel fokussierte Drama, das allerdings kaum auf den zeitgeschichtlichen Kontext oder die berühmte Personalie Victor Hugo eingeht. 

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