Der eiskalte Engel

Der eigenwillige wie einflussreiche französische Filmemacher Jean-Pierre Melville (1917-1973) hat mit seinen Werken einen nachhaltigen Eindruck bei der nachfolgenden, ebenfalls stilbildenden Generation von Regisseuren wie Michael Mann, Martin Scorsese, David Fincher, Quentin Tarantino und John Woo hinterlassen. Zu seinen bekanntesten Werken zählt das 1967 entstandene Meisterwerk „Der eiskalte Engel“, der ersten Zusammenarbeit zwischen Melville und Alain Delon, dessen Rolle als einsamer Auftragskiller zu seinem Markenzeichen werden sollte. 

Inhalt: 

Jef Costello (Alain Delon) ist ein Berufskiller, der sein Handwerk nahezu perfekt beherrscht, allerdings allein mit einem Dompfaff in einem spärlich möblierten Apartment lebt. Für einen neuen Auftrag zieht er sich in aller Ruhe seinen Regenmantel an und den Hut auf, probiert an einem nicht abgeschlossenen Citroën DS so lange den passenden Schlüssel an seinem Schlüsselbund, bis der Wagen anspringt, und fährt zu einer abgelegenen Garage, wo ein Mann wortlos die Nummernschilder austauscht und ihm einen Revolver aushändigt. Nachdem er sich bei seiner Freundin Jane Lagrange (Nathalie Delon), die als illegale Edelprostituierte mit eigener Wohnung arbeitet, ein Alibi verschafft hat, sucht er einen Nachtclub auf, geht bis zum Büro des Besitzers und erschießt ihn. Dabei wird er von der Pianistin Valérie (Cathy Rosier) überrascht, die ihn flüchten lässt, ohne einen Ton zu sagen. Costello wird noch in der gleichen Nacht mit vielen anderen Männern bei einer ganz Paris umfassenden Razzia von der Polizei mitgenommen. Er ist im Lokal von mehreren Gästen gesehen worden, und so kommt es zu einer polizeilichen Gegenüberstellung. 
Da sich aber nicht alle Zeugen sicher sind und die Pianistin Valérie leugnet, in ihm den Mörder zu erkennen, kann der Kommissar (François Périer) ihn nicht festhalten, zumal das Alibi seiner Freundin stichhaltig scheint. Auch dringt der Kriminalist bei der Freundin Costellos nicht damit durch, ihr einerseits wegen Falschaussage zu drohen und sie andererseits mit dem Verweis auf die Pianistin eifersüchtig zu machen. Aber er lässt Costello beschatten und eine Wanze in seiner Wohnung anbringen. Da Costellos Auftraggeber wegen der polizeilichen Ermittlung nervös geworden sind, versucht ihn ein Handlanger bei der Geldübergabe am Bahnhof zu ermorden, doch kann Costello leicht verletzt fliehen. Costello fragt sich, warum ihn die Pianistin bei der Gegenüberstellung nicht verraten hat, sucht er sie auf und stellt sie zur Rede. 
Costello wird nun auf Schritt und Tritt von Dutzenden Zivilpolizist(inn)en überwacht, doch kann er seine Verfolger nach einer Irrfahrt durch die Pariser Metro abschütteln. Erneut stiehlt er einen Wagen und gelangt unbemerkt in seine Wohnung. Dort wird er vom Killer seiner Auftraggeber überrascht. Diese wollen ihm noch eine Chance geben und bezahlen ihn für einen weiteren Mord. Costello überwältigt den Killer und erfährt von ihm den Namen eines der Auftraggeber. Diesen trifft er in der Wohnung der Pianistin an. Nachdem er ihn erschossen hat, sucht Costello - wohlwissend, dass er von der Polizei überwacht wird - den Nachtclub auf… 

Kritik: 

„Es gibt keine größere Einsamkeit als die eines Samurai, außer vielleicht die eines Tigers im Dschungel.“ Mit diesem fiktiven Eingangszitat aus den Büchern des Bushidō setzt Melville den Ton für sein fatalistisches Kriminaldrama, das ganz auf seinen titelgebenden Protagonisten – „Le samouraï“ – zugeschnitten ist. Bereits mit den ersten Einstellungen fangen Melville und sein versierter Kameramann Henri Decaë („Fahrstuhl zum Schafott“, „The Boys from Brazil“) die tristen Lebensumstände von Jef Costello ein. Wenn er nicht gerade für einen Auftrag unterwegs ist, lebt er einsam und zurückgezogen in seinem schmucklosen, düsteren Apartment und raucht Zigaretten. Allein das Piepen des Dompfaffs in seinem Käfig dient als wenig erbaulicher Soundtrack seines Daseins. 
Dass Melville mit der Beschreibung des Auftragskillers aber eine ganz eigene Realität beschreibt, wird dem Publikum erst richtig bewusst, wenn Costello mit seiner Umwelt interagiert. Selbst zu seiner Freundin (die von Delons Ex-Frau Nathalie Delon verkörpert wird) unterhält er ein eher unterkühltes Verhältnis. Wenn sie ihm das gewünschte Alibi verschafft und mit den Worten schließt „Ich liebe es, wenn du zu mir kommst, weil du mich dann brauchst“, dann kommt der ganze gefühllose Charakter der Beziehung zum Ausdruck. 
Dieses unwirkliche Gefühl setzt sich allerdings auch bei Costellos Auftritt in dem Nachtclub fort, wo jeder teilnahmslos wirkt, und wird mit der personalintensiven Beschattung des Verdächtigen auf die Spitze getrieben. Delon selbst wirkt wie viele der einsamen Antihelden in dem amerikanischen Film noirs, wobei Melville auf viele Fragen, die der Film stellt, keine Antworten gibt. Es bleibt letztlich dem Zuschauer überlassen, welche Schlüsse er aus den Bildern und Ereignissen zieht. 
Gewiss ist allerdings, dass „Der eiskalte Engel“ mit seiner kühl-distanzierten Inszenierung und minimalistisch transportierten Gefühlen zu einem zeitlosen Meisterwerk avanciert ist. Melville sollte anschließend mit Delon noch die beiden ebenfalls erstklassigen Krimis „Vier im roten Kreis“ (1970) und „Der Chef“ (1972) realisieren. 

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