Die Spaziergängerin von Sans-Souci
In ihrer dreißigjährigen Schauspiel-Karriere hat die 1938 in Wien geborene Romy Schneider eine breite Palette an Genres beackert, wobei es ihrer großen Liebe Alain Delon zu verdanken ist, dass er ihr den Weg ebnete, sich von ihrem ungeliebten „Sissi“-Image zu lösen und in Frankreich schnell erwachsene Rollen zwischen eleganten Damen und verführerischen Femmes fatale verkörpern durfte. Ihren letzten Auftritt hatte sie 1982 in Jacques Rouffios, nach dem gleichnamigen Roman von Joseph Kessel inszenierten Drama „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“. Kurz nach der Premiere des Films verstarb Schneider im Alter 43 Jahren an Herzversagen.
Inhalt:
Max Baumstein (Michel Piccoli), der ältliche, gehbehinderte, nichtsdestotrotz engagierte Präsident einer internationalen Hilfsorganisation, wird am Pariser Flughafen von seiner schönen, weitaus jüngeren Frau Lina (Romy Schneider) empfangen. Nach einer Pressekonferenz erhält Baumstein von einem Freund seiner Organisation Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass Federico Logo (Mathieu Carrière), Botschafter von Paraguay, identisch mit dem früheren Nazi-Kollaborateur Ruppert von Leggaert ist. Statt an dem Essen mit seiner Frau und Freunden teilzunehmen, sucht Baumstein den Botschafter auf, um sich zunächst nach einer inhaftierten Frau zu erkundigen und den Mann dann auf seine frühere Identität anzusprechen, die dieser nicht leugnet. Baumstein erschießt den Botschafter
Baumstein fährt zu einem Treffen mit Logo, um sich nach einer inhaftierten Frau zu erkundigen, und nach einem kurzen Wortwechsel, bei dem es um Logos einstige Identität als Ruppert von Leggaert geht, erschießt Baumstein den Botschafter und stellt sich der Polizei.
Vor Gericht bekennt sich Baumstein schuldig, sucht aber um Verständnis für seine Tat, indem er seine eigene Geschichte rekapituliert: Als jüdisches Waisenkind hatte Baumstein (Wendelin Werner) schon im Jahr 1933 den Terror der Nazis am eigenen Körper spüren müssen, als sie ihm das Bein so stark verletzten, dass er fortan auf einen Gehstock angewiesen war. Als sein liebevoller Ziehvater Michel Wiener (Helmut Griem), der in seinem Verlag Material gegen das Nazi-Regime veröffentlichte, kurz vor der Verhaftung durch die Nazis stand, schickte er seine Frau Elsa (ebenfalls Romy Schneider) mit dem Jungen nach Paris, wo sie sich als Sängerin durchschlägt und sich mit dem französischen Champagner-Händler Maurice Bouillard (Gérard Klein) anfreundet, dem ihr Mann kurz im Zug nach Paris begegnet war, als dieser ihm Geld für Elisa in die Hand drückte. Als Elsa von der Deportierung ihres Mannes erfährt, lässt sie sich auf einen tragischen Handel ein…
Kritik:
Jacques Rouffio („Zucker, Zucker!“, „Früchtchen mit Sahne“), der mit dem Romanautor Joseph Kessel auch das Drehbuch zu „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ schrieb, inszenierte das Drama um die persönliche Geschichte eines Jungen vor dem Hintergrund der Schreckensherrschaft durch die Nazis mit einer Rahmenhandlung, die im zeitgenössischen Paris angesiedelt ist und zu erklären versucht, wie ein bekennender Kämpfer für die Menschenrechte einen eiskalten Mord verüben konnte. Die Erklärung findet sich zwar auch in wenigen Szenen, die in Nazi-Deutschland selbst spielen und vor allem das schikanöse Auftreten der Nazi-Anhänger gegen Juden aufzeigen, doch der weitaus wichtigere Part spielt sich im Paris Mitte der 1930er Jahre ab, wo sich Baumsteins Ziehmutter ihren Lebensunterhalt als Sängerin und Trinkanimateurin verdient.
Der junge Max ist irgendwie immer präsent, schreibt er doch für ein kleines Honorar amtliche oder Liebesbriefe für Elsas Kolleginnen. Er muss allerdings auf schmerzliche Weise erfahren, dass er mit Elsa im Pariser Exil keineswegs sicher vor den Gräueln der Nazis ist. Trotz der Zeitsprünge zwischen der Gerichtsverhandlung, in der sichtlich in die Jahre gekommene Weggenossen von Elsa und Max ihre Eindrücke von den Erlebnissen im Paris jener Jahre schildern, und der damaligen Zeit gelingt es Rouffio, eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, in dem Romy Schneider in der Doppelrolle von Max‘ Ziehmutter und Frau ebenso überzeugt wie Michel Piccoli als nach Gerechtigkeit strebender Mann, dessen Schicksal vor Augen führt, wie tief die Narben wirken, die einem Menschen im Laufe seines Lebens zugefügt worden sind.
Auch wenn „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ sicherlich nicht Schneiders besten Film darstellt, berührt er durch die mehrfache Tragik, die sich nicht nur in der Filmhandlung widerspiegelt, sondern auch in Schneiders Leben, die den Unfalltod ihres 14-jährigen Sohnes David (der ursprünglich den jungen Max spielen sollte) nie verkraftet hat. Der junge Jean Reno ist übrigens in einer Minirolle als Antisemit zu sehen.
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