Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber

Der britische Filmemacher Peter Greenaway hat seit jeher wenig mit dem Mainstream-Kino gemein gehabt, dessen klassische Erzählformen er für überholt hält. Seine frühe Ausbildung in der Kunst der Malerei hat fortan auch seine filmischen Werke geprägt, die von symbolkräftigen Farben und Bildern ebenso geprägt sind wie von allegorisch verwendeten Themen, die sich ganz um gesellschaftliche Tabus, Sex, Tod und Religion drehen. Nach einige experimentellen Kurzfilmen, der Mockumentary „The Falls“ und den vier Spielfilmen „Der Kontrakt des Zeichners“ (1982), „Ein Z und zwei Nullen“ (1985), „Der Bauch des Architekten“ (1987) und „Verschwörung der Frauen“ (1988) präsentierte Greenaway 1989 mit „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ seinen bislang verstörendsten Film.

Inhalt:

Für den raubeinigen und cholerischen Gangster Albert Spica (Michael Gambon) besteht der Abschluss und Höhepunkt des Tages darin, allabendlich mit seiner Frau Georgina (Helen Mirren) und seinen Handlangern (u.a. Tim Roth) in seinem Edelrestaurant „Le Hollandaise“ zu speisen, wo sein Küchenchef Richard (Richard Bohringer) die ausgefallensten Speisen kreiert, die der grobschlächtige Gauner im Gegensatz zu seiner zurückhaltenden Frau aber nicht zu würdigen versteht. Von dem Machogehabe ihres Mannes angewidert, zieht sich die stets elegant gekleidete und frisierte Frau immer wieder auf die Unisex-Toilette zurück, wo sie schließlich mit einem weiteren Stammgast des Restaurants eine leidenschaftliche Affäre beginnt: Der unauffällige Buchhändler Michael (Alan Howard) stellt das genaue Gegenteil von Albert dar und findet mit Unterstützung des verständnisvollen Kochs immer wieder neue Verstecke in der Küche des Restaurants, um mit Georgina Sex zu haben. Zwar wundert sich Albert immer wieder, warum seine Frau ständig die Toilette aufsuchen muss, aber selbst als er ihr nachläuft, erwischt er sie nie in flagranti mit dem Buchhändler. So muss ihn erst eine andere enttäuschte Frau Albert mit der bitteren Tatsache konfrontieren, dass ihn seine Frau mit dem Buchhändler betrügt, worauf der Gangster alle Hebel in Bewegung setzt, sich Michael nach allen Regeln der Kunst vorzuknöpfen …

Kritik:

Peter Greenaway war eines Abends in Rom, wo er gerade „Der Bauch des Architekten“ abdrehte, von einem durch UV-Licht (das die Fliegen fernhalten sollte) beleuchteten und zerlegten Kuh-Kadaver im Schaufenster eines Schlachters so fasziniert, dass sich Ideen rund um Glauben, Konsum, Kannibalismus und Beziehungen zu der Geschichte entwickelten, die er schließlich auf denkwürdige Art und Weise in seinem fünften Film verarbeitete. Dabei steht gar nicht mal so sehr die Geschichte des Ehebruchs ganz in der Nähe des Betrogenen und sein Rachedurst im Vordergrund, sondern die symbolkräftige Bilderwelt, die nicht nur Greenaways Background als ausgebildeter Maler dokumentiert, sondern in ihrem drastischen Ausdruck ganz in der Tradition des Jakobinischen Theaters steht. Die leuchtenden Farben sind nicht nur einzelnen Räumen zugeordnet – Grün für die Küche, Weiß für die Toiletten, Blau für die Welt außerhalb des Restaurants, Rot für den Speisesaal und Orange für die Orte der Ruhe, Behaglichkeit und Liebe -, sondern symbolisieren auch die einzelnen Prozesse der Nahrungsverarbeitung.
Die natürlichen Zutaten werden in der Küche liebevoll zubereitet, im Speisesaal verzehrt, in der Toilette ausgeschieden, während die nicht verwendeten Reste außerhalb des Restaurants verwesen und die Hunde in der Umgebung anziehen. Doch ebenso wie die Kadaver Insekten und Hunde anziehen, umgibt sich auch Albert mit Speichelleckern und Handlangern, die ihm jederzeit zur Hand gehen. Man mag „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ auch als bissigen Kommentar auf die rigide Politik von Margaret Thatcher betrachten, von der der Regisseur meinte, sie würde das Land durch ihre Reformen vergewaltigen und auf kannibalische Weise ihre eigene Nation verzehren. Es sind aber nicht nur die symbolkräftigen Farben und Bilder, die diesen Film so sehenswert machen, sondern auch die wie auf einer Theaterbühne arrangierten Stillleben aus Gerichten, die extravaganten Kostüme von Jean-Paul Gaultier, die virtuos inszenierte Musik von Michael Nyman und natürlich die Hauptdarsteller. Michael Gambon („Insider“, „Gosford Park“) brilliert als cholerischer Gangsterboss, die sehr freizügig agierende Helen Mirren („The Queen“, „Hitchcock“) als gebeutelte Ehefrau, die in der Affäre mit dem schüchternen Buchhändler endlich Ruhe, Sicherheit und Liebe findet, und Richard Bohringer („Subway“, „Diva“) als französischer Starkoch, der zwischen den Eheleuten seine Neutralität zu bewahren versucht. Nun hat justbridge dieses Meisterwerk als schickes Mediabook mit DVD, Blu-ray und umfangreichem Booklet veröffentlicht.
"Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" in der IMDb

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