Das Grab der Lygeia

Nach sieben Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen, die Roger Corman seit 1960 meist mit Vincent Price in der Hauptrolle (die einzige Ausnahme bildet „Lebendig begraben“ mit Ray Milland) und einem meist festen Stamm an Crew-Mitgliedern wie den Drehbuchautoren Richard Matheson und Charles Beaumont, den Komponisten Ronald Stein und Les Baxter, dem Set-Designer Daniel Haller und Kameramann Floyd Crosby für American International Pictures realisiert hatte, beschritt er für „Das Grab der Lygeia“, seinen Abschlussfilm der Poe-Reihe, neue Wege und ging mit einer nahezu neuen Crew nicht nur nach England, sondern drehte auch bei Tageslicht an Originalschauplätzen. „Das Grab der Lygeia“ (der hierzulande auch unter dem Titel „Das Grab des Grauens“ lief) zählt trotz ungewohnter Atmosphäre zu den besten Poe-Adaptionen überhaupt. 

Inhalt: 

Während einer Fuchsjagd stößt Lady Rowena Trevanion (Elizabeth Shepherd) auf die beeindruckende Ruine einer alten Abtei und stürzt, erschreckt durch eine schwarze Katze, von ihrem Pferd direkt auf das Grab von Ligeia (ebenfalls Elizabeth Shepherd), die Lord Verden Fell (Vincent Price) trotz Einspruchs des Priesters in geweihter Erde begraben ließ. Fell beschäftigt sich vor allem mit dem ägyptischen Totenkult und Hypnose, leidet aber unter einer besonderen Empfindlichkeit auf Sonnenlicht, weshalb er stets eine Sonnenbrille trägt. Rowena ist sogleich fasziniert von dem stets ernsten Mann und nimmt schon die nächste Gelegenheit wahr, ihm einen Besuch abzustatten. Als sie unangemeldet in Fells Räumlichkeiten auftaucht, hält er sie zunächst irrtümlich für Ligeia und beginnt sie zu würgen, bis er aus seinem tranceartigen Zustand erwacht und seinen Irrtum erkennt. Augenblicklich kommen sich die beiden näher und heiraten bald. 
Nach der Rückkehr von ihrer Hochzeitsreise, die sie nach Rom und Stonehenge geführt hat, beschließt Fell, die Abtei zu verkaufen und mit Rowena ein neues Leben zu beginnen, doch die nach wie vor herumstreuende Katze versetzt Rowena immer wieder in Angst und Schrecken. Als Fell bei einer kleinen Feier an Rowena seine Fähigkeiten als Hypnotiseur unter Beweis stellt, scheint sich die Hypnotisierte in eine andere Frau zu verwandeln, die Fell natürlich als Ligeia identifiziert. Überhaupt scheint Ligeia nach wie vor einen unheilvollen Einfluss auf Fell auszuüben. Immer wieder muss Rowena allein speisen und sucht ihren Mann vergebens. Einzig ihr guter alter Freund Christopher Gough (John Westbrook) leistet ihr in dieser schweren Zeit Gesellschaft und versucht schließlich das Geheimnis von Ligeias Grab zu ergründen … 

Kritik:

Robert Towne schrieb schon sein erstes Drehbuch für Roger Corman, nämlich für „Last Woman on Earth“ (1960) und war später für Klassiker wie „Bonnie und Clyde“, „Chinatown“, „Frantic“, „Die Firma“ und die ersten beiden „Mission: Impossible“-Filme (mit-)verantwortlich. Für Cormans „Das Grab der Lygeia“ verband er die Grundidee von Poes Novelle „Ligeia“ mit Motiven aus „Die schwarze Katze“ und thematisierte so den in vielen Poe-Erzählungen vorhandenen Schwebezustand zwischen Leben und Tod. 
„Das Grab der Lygeia“ (1964) unterscheidet sich von vorangegangenen Poe-Adaptionen durch Roger Corman nicht nur durch den Wechsel der Drehorte von amerikanischen Studiokulissen zur Burg Acre Priory in Swaffham, Norfolk, und den Shepperton Studios in Surrey, sondern auch in ungewöhnlich leutseligen Dialogen, die wunderbar Poes poetische Sprache einfängt. Dagegen werden viele Fans der vorangegangenen Poe-Verfilmungen durch Corman für American International Pictures die ausgefeilten Produktionsdesigns und die beeindruckende Farbdramaturgie, die wallenden Nebel und die durchgängige Schauer-Atmosphäre vermissen. Dafür dürfen sowohl Vincent Price („Die Verfluchten“, „Laura“) als auch Elizabeth Shepherd („Damien – Omen II“, „Amelia“) ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellen. Im Gegensatz zu früheren Poe-Verfilmungen, in denen das Grauen bereits durch rein filmische Mittel erzeugt worden ist, liegt es bei „Das Grab der Lygeia“ eher an der Dualität der beiden Figuren Ligeia und Rowena auf der einen Seite und Fells psychischer Disposition auf der anderen, dass sich eine schauerliche Stimmung breit macht. 

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