The Last Waltz

Meisterregisseur Martin Scorsese („Gangs of New York“, „The Departed“) hat schon immer ein Faible für die Musik gehabt. So inszenierte er zuletzt 2019 mit „Rolling Thunder Revue“ eine Bob-Dylan-Story, 2016 den Pilot zu der von ihm produzierten Serie „Vinyl“ über die rauschhafte Musikszene der 1970er, 2011 mit „Living in the Material World“ eine Dokumentation über den Beatles-Musiker George Harrison und 2008 mit „Shine a Light“ einen Konzertfilm über die Rolling Stones. Doch bereits 1978 legte er mit „The Last Waltz“ einen grandiosen Film über das Abschiedskonzert von The Band vor, der längst zum Klassiker des Genres avanciert ist und im schicken Mediabook von justbridge auf Blu-ray und DVD in neuem Licht erstrahlt. 
Die aus Ronnie Hawkins‘ Band The Hawks hervorgegangene und von Robbie Robertson, Levon Helm, Rick Danko, Garth Hudson und Richard Manuel 1967 gegründete Formation The Band schlug einen experimentelleren Weg als unter Ronnie Hawkins ein und verband in ihrer Musik Elemente aus Country, Blues, Rock’n’Roll und Folk, das nicht nur auf dem 1968 veröffentlichten Debütalbum „Music from the Big Pink“, sondern auch auf unzähligen Konzerten ihren Niederschlag fand. Ihrer Experimentierfreudigkeit führte auch immer wieder zu wechselseitigen Engagements anderer Künstler. Doch das langjährige Leben auf Tour zehrte auch an den Kräften. Robbie Robertson wollte als wichtigster Songschreiber größere Kontrolle über die Entwicklung der Band, was ihm vor allem von Levon Helm streitig gemacht wurde, aber Robertson wollte auch nicht das Schicksal früh verstorbener Musiker erleiden und lieber rechtzeitig aufhören. 
Mit einem unvergesslichen Konzertabend unter dem Titel „The Last Waltz“ wollten sich Robertson & Co. mit einem Ausrufezeichen von der Bühne verabschieden. Als Location für das Abschlusskonzert wurde der „Winterland Ballroom“ in San Francisco ausgewählt, wo The Band ihren ersten großen Auftritt absolvierten. Jonathan Taplin, der in den 70er Jahren für die Tourplanung von The Band zuständig war und sich auch Filmproduzent betätigte, brachte Robertson mit Martin Scorsese zusammen, dessen Drama „Hexenkessel“ (1973) er produziert hatte, und so nahm das Projekt eines bemerkenswerten Konzertfilms seinen Lauf. Der Konzertabend wurde minutiös geplant und von verschiedenen, heute teilweise namhaften Kameramännern unter Leitung von Michael Chapman („Taxi Driver“, „Auf der Flucht“) festgehalten, wobei der häufige Perspektivenwechsel den Zuschauer nicht nur stets dicht am Geschehen teilhaben lässt, sondern der gekonnte Schnitt eine wunderbare Dynamik in den Konzertabend bringt. Für Abwechslung sorgen nicht nur die unterschiedlichen Sänger innerhalb der Band sowie die musikalischen Stilwechsel, sondern auch die zahlreichen, meist sehr illustren Gastauftritte von Künstlern wie Van Morrison, Joni Mitchell, Bob Dylan, Ringo Starr, Muddy Waters, Neil Young, Ronnie Wood, Dr. John und Eric Clapton
Um den Rahmen eines zweistündigen Konzertfilms nicht zu sprengen, wurden von den zwischenzeitlichen Gedichtrezitationen verschiedener Poeten nur zwei Auftritte davon eingefügt. Intimere Einblicke in die Gedanken und die Geschichte von The Band geben aber vor allem die Interviews, die Martin Scorsese selbst mit den Musikern backstage, in den Hotelzimmern und im „Shangri-La“ genannten Studio von The Band geführt hat. Diese hätten gern ausführlicher ausfallen können, würden dann aber natürlich auch den Fluss des Konzertgeschehens nachhaltig stören. 
So ist „The Last Waltz“ ein faszinierendes Stück Musikgeschichte mit einer Vielzahl von Musiklegenden der 1960er und 1970er Jahre entstanden, das durch Scorseses Produktionsdesigner Boris Leven („West Side Story“) auch noch den passenden Rahmen in Form der „La Traviata“-Produktion der San Francisco Opera Company und Kronleuchtern vom „Vom Winde verweht“-Set erhalten hat. 
Nach Abschluss der Dreharbeiten verbrachte Perfektionist Scorsese noch zwei Jahre mit dem Schnitt, während er auch noch seinen Film „New York, New York“ fertigstellte, von dem er vertraglich eigentlich unabkömmlich gewesen wäre. Abgerundet wird die Veröffentlichung des heute kaum noch bekannten Scorsese-Films durch ein ausführliches Booklet, in dem Filmexperte Christoph N. Kellerbach interessante Geschichten zur Band selbst und den Hintergründen und Schwierigkeiten bei der Produktion zum Besten gibt. 

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