Dodeskaden

Zwischen 1943 und 1965 brachte der japanische Meisterregisseur Akira Kurosawa (1910-1998) nahezu im Jahrestakt einen neuen Film in die Kinos, von denen viele – wie „Rashomon“ (1950), „Die sieben Samurai“ (1954) und „Das Schloss im Spinnwebwald“ (1957) – zu Klassikern avancierten. Doch mit der sich über zwei Jahre hinziehenden Produktion des Drei-Stunden-Epos „Rotbart“ gab es eine Zäsur in Kurosawas Schaffen. Der Film führte nicht nur zu einem Zerwürfnis mit Kurosawas Produktionsfirma, sondern auch mit seinem langjährigen Hauptdarsteller Toshiro Mifune. Kurosawas Kokettieren mit Hollywood avancierte zu einem Desaster. Neben dem nicht realisierten Projekt „Runaway Train“ entwickelte sich auch der Kriegsfilm „Tora! Tora! Tora!“ (1970) zu einem Flop, für den er die japanische Sicht auf die Attacke der Japaner auf Pearl Harbor filmte. Fünf Jahre nach „Rotbart“ legte Kurosawa mit „Dodeskaden“ seinen ersten Farbfilm vor, der dem Filmemacher über eine vor allem in mentaler Hinsicht schwierige Zeit hinweghalf. 

Inhalt: 

Der geistig zurückgebliebene Junge Rokkuchan (Yoshitaka Zushi) lebt mit seiner Mutter (Kin Sugai) in einem heruntergekommenen Slum voller Schutt, Asche und Müll. In seiner Fantasie steuert er eine Straßenbahn durch die Trümmer. Doch die zerbombten Überreste geben nicht nur Mutter und Sohn ein Zuhause. Da wäre zum Beispiel noch das zurückhaltende Mädchen Katsuko (Tomoko Yamikazi), das bei ihrer Tante (Imari Tsuji) und deren nichtsnutzigen Mann (Tatsuo Matsumura) lebt und den ganzen Tag lang für den Lebensunterhalt der Familie sorgt. Als sie von ihrem Onkel vergewaltigt wird, versucht das daraufhin schwangere Mädchen den einzigen Menschen zu erstechen, dem Katsuko etwas bedeutet. 
Der Haarbürstenmacher Ryotaro (Shinsuke Minami) muss viele Kinder ernähren, die seine untreue Frau Misao (Yûko Kusunoki) in verschiedenen ehebrecherischen Affären gezeugt hat, aber er widmet sich ihnen von ganzem Herzen. Die beiden betrunkenen Tagelöhner Masuda und Kawaguchi tauschen ihre Frauen, nur um am nächsten Tag zu ihren eigenen Frauen zurückzukehren, als wäre nichts passiert. 
Ein stoischer, düsterer Mann namens Hei (Hiroshi Akutagawa) wird von Ocho (Tomoko Naraoka) besucht, die seine Ex-Frau zu sein scheint, und er sieht emotionslos zu, wie sie sich um seine Hausarbeiten kümmert. Am anderen Ende des Spektrums steht Shima (Junzaburô Ban). Shima, ein Mann mit einem nervösen Tick. Als er drei seiner Kollegen zu sich einlädt, verteidigt Shima seine äußerlich unangenehme und schikanierende Frau, als diese sich über ihre unangemessen harsche Art beschweren. 
Ein Bettler (Noboru Mitani) und sein kleiner Sohn leben in einem ausgeschlachteten Citroen 2CV. Während der Vater damit beschäftigt ist, davon zu träumen, ein prächtiges Haus zu besitzen, stirbt der Junge auf tragische Weise an einer Lebensmittelvergiftung. 
Tanba (Atsushi Watanabe), ein Silberschmied für Jagdarbeiten, ist eine weise Figur, die nicht nur einen Jugendlichen, der ein Katana-Schwert schwingt, entwaffnet, sondern auch einem Einbrecher freiwillig sein Geld überlässt und ihn bittet wiederzukommen, sollte er mehr benötigen. 

Kritik:

Wie schon bei „Sanjuro“ und „Rotbart“ hat Kurosawa für „Dodeskaden“ eine literarische Vorlage von Shûgorô Yamamoto verfilmt. Dessen Kurzgeschichten beschreiben das Leben von Menschen am Rande der Gesellschaft in einer apokalyptisch anmutenden, zerstörten Welt. Dass Kurosawa erstmal mit farbigem Filmmaterial arbeitete, ermöglichte ihm, gerade in der Beleuchtung des Himmels eine teils surreale, traumähnliche Atmosphäre zu kreieren, die ein hoffnungsvolles Licht auf das bemitleidenswert wirkende Leben dieser Menschen wirft. Trotz ihrer Armut lassen sie sich nämlich nicht unterkriegen und suchen jeweils einen eigenen Weg aus ihrer wenig erfreulichen Situation. 
Kurosawa folgt den Schicksalen der von der Gesellschaft Ausgestoßenen mit tiefem Mitgefühl und Sympathie, trifft immer einen versöhnlichen oder sogar humorvollen Ton. Damals entwickelte sich „Dodeskaden“ zu einem Flop, der Kurosawa in eine tiefe Depression stürzte. Erst fünf Jahre später sollte er mit „Dersu Usala“ seinen nächsten Film realisieren. 

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