Endstation Schafott
Bevor José Giovanni (1923-2004) zu einem geschätzten Roman- und Drehbuchautor, später auch Filmregisseur wurde, hatte er bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Er gründete nämlich nach der Befreiung von Paris von den Nazis mit seinem Bruder Paul, einem ehemaligen Gestapo-Mann und einem Ex-Mitglied der Milice eine Bande, die mehrere Menschen entführte, folterte und tötete. Nach seiner Festnahme wurde Giovanni zu zwanzig Jahren Arbeitslager und in einem weiteren Prozess für die Beteiligung an den drei Morden zum Tod verurteilt, doch wurde das Urteil aufgehoben, worauf der Verbrecher im Alter von 31 Jahren nach 11½ Jahren Arbeitshaft auf freien Fuß gesetzt wurde. Diese Erfahrungen verarbeitete Giovanni immer wieder in seinen Romanen und Filmen, in denen er sich gegen die Todesstrafe positionierte. Von dieser Botschaft ist vor allem sein 1973 entstandener Film „Endstation Schafott“ geprägt, in dem neben den beiden prominenten Hauptdarstellern Alain Delon und Jean Gabin auch ein junger Gérard Depardieu in einer Nebenrolle zu sehen ist.
Inhalt:
Kurz vor seiner Pensionierung setzt sich der erfahrene Bewährungshelfer Germain Cazeneuve (Jean Gabin) für die vorzeitige Freilassung von Gino Strabliggi (Alain Delon) ein, der bereits zehn Jahre wegen Bankraubs im Gefängnis gesessen hat. Nachdem sein Antrag von der Bewährungskommission befürwortet worden ist, kümmert sich Cazeneuve nicht nur um Ginos berufliche Eingliederung, sondern lässt ihn auch von seiner Familie herzlich aufnehmen. Mit seiner Frau Sophie (Ilaria Occhini) ist Gino oft bei den Cazeneuves zu Gast. Während der Heimfahrt von einem gemeinsamen Wochenende mit Germains Familie verunglückt Sophie bei einem Verkehrsunfall tödlich, worauf Gino sich völlig in sich zurückzieht. Aber er widersteht weiterhin dem Drängen seiner ehemaligen Komplizen, wieder ins Verbrecherleben einzusteigen. Durch Cazeneuve bekommt Gino einen Job in einer Druckerei in Montpellier, wo er nicht nur selbst wohnt, sondern auch seine Freizeit vor allem mit Cazeneuves erwachsenen Kindern Evelyne (Cécile Vassort) und Frédéric (Bernard Giraudeau) verbringt. Schließlich beginnt Gino auch eine neue Liebesbeziehung mit der Bankangestellten Lucie (Mimsy Farmer).
Doch das Glück verlässt Gino schon wieder, als er bei seiner regelmäßigen Meldung auf dem örtlichen Polizeirevier Inspektor Goitreau (Michel Bouquet) wiedertrifft, der ihn einst verhaftete und nun seinen Dienst in Montpellier versieht. Goitreau zweifelt an Strabliggis Resozialisierung und lässt nichts unversucht, Gino wieder eines Verbrechens zu überführen. Er lässt den ehemaligen Gefangenen observieren und nimmt Bandenchef Marcel (Victor Lanoux) in die Mangel, um ihn gegen Gino auszuspielen. Doch als Goitreau auch Lucie unter Druck zu setzen versucht, ist es mit Ginos Geduld zu Ende…
Kritik:
Normalerweise würde die Ausgangssituation, wie sie José Giovanni („Der Mann aus Marseille“, „Der Zigeuner“) in „Endstation Schafott“ schildert, einen klassischen Heist-Movie-Plot einläuten, doch liegt dem Filmemacher weniger an einem raffinierten Coup in routiniertem Krimi-Format, sondern an der Auseinandersetzung mit dem französischen Rechtssystem, mit dem der Regisseur selbst ausgiebig Bekanntschaft gemacht hat, was dem Film eine beängstigende Authentizität verleiht.
Giovanni bemüht keine reißerischen Effekte, sondern bleibt einem deprimierenden Realismus verhaftet, der seine niederschmetternde Wirkung vor allem in dem dramatischen Finale entfaltet, das „Endstation Schafott“ endgültig als Plädoyer gegen die Todesstrafe verstehen lässt.
Die drei Hauptdarsteller Alain Delon, Jean Gabin und Michel Bouquet sorgen stets für die glaubwürdige Verkörperung ihrer Figuren, Philippe Sarde mit seinem zurückhaltenden Score für die passende musikalische Untermalung in einem Drama, das vor allem für mehr Menschlichkeit im Strafvollzug und im Umgang mit ehemaligen Strafgefangenen einfordert.
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