Kagemusha - Der Schatten des Kriegers
Nach einer jahrelangen Durststrecke, in der Kurosawa nach dem dreistündigen Epos „Rotbart“ (1965) nur noch alle fünf Jahre einen Film in die Kinos brachte und nach dem Flop mit „Dodeskaden“ (1970) sogar einen Selbstmordversuch unternahm, kam der japanische Meisterregisseur mit dem für den besten fremdsprachigen Film Oscar-prämierten sowjetischen Drama „Dersu Uzala“ (1975) wieder in die Spur. 1980 präsentierte Kurosawa mit „Kagemusha – Der Schatten des Kriegers“ ein wiederum dreistündiges Historienepos, bei dem seine Verehrer George Lucas und Francis Ford Coppola als ausführende Produzenten fungierten.
Inhalt:
Im Japan des Jahres 1572 kämpfen die erbittert verfeindeten Kriegsfürsten mit ihren Clans um die Städte Kamakura und Kyōto. Das Heer des Takeda-Clans scheint unbesiegbar, doch der geschwächte Tokugawa-Clan nutzt seine Beziehungen zu portugiesischen Missionaren dazu, seine Armee allmählich mit Arkebusen auszurüsten, so dass die Takeda unter Zeitdruck sind.
Die Armee des Samurai Shingen Takeda (Tatsuya Nakadai) belagert die Festung Noda und kappt die Wasserversorgung. Doch da nach wie vor jemand in der Festung jeden Abend auf der Flöte spielt, was alle Kampfparteien innehalten lässt, bleibt die Festung uneingenommen.
Der abergläubische Shingen begnadigte vor Monaten einen zum Tode verurteilten Taschendieb aus Faszination darüber, dass dieser Mann als „Kagemusha“ ein weiterer perfekter Doppelgänger wäre, nachdem bereits sein Bruder Nobukado (Tsutomu Yamazaki) als Doppelgänger zum Schutz seiner Person gedient hat.
Nachdem ihm sein Orakel prophezeit hatte, dass entweder er oder dieser Mann hätte sterben müssen, entscheidet sich Shingen dazu, sich dieses Mannes zu bedienen, um den Krieg schnell zu gewinnen. Dennoch kann auch der Kagemusha nicht verhindern, dass Shingen während der Belagerung einer gegnerischen Burg zunächst schwer verwundet wird und schließlich seinen Verletzungen erliegt.
Zuvor hat er seine Generäle instruiert, dass er heimlich bestattet werde und man drei Jahre mit der Verkündung seines Todes warten solle, sodass in der Zwischenzeit der Kagemusha statt seiner regiere.
Neben Shingens Bruder Nobukado, seinem Sohn Katsuyori (Ken'ichi Hagiwara), General Yamagata (Hideji Ôtaki) wissen nur wenige andere um das doppelte Spiel, das nun seinen Lauf nimmt.
Zwar fällt es dem Kagemusha zunächst nicht leicht, sich im Fürstenhaus gemäß den Sitten zu benehmen, jedoch müssen selbst die skeptischen Generäle mit der Zeit zugeben, dass der Dieb seine Rolle sehr gut spiele und weder die Soldaten noch die Konkubinen noch sein Enkel bemerken, dass es sich um einen Doppelgänger handelt.
Je freier sich der Kagemusha jedoch fühlen darf, umsp übermütiger wird er auch und sät so Zweifel bei den Gegnern des Clans, die längst Verdacht geschöpft haben und zu einem letzten großen Angriff rüsten. Darüber hinaus will Shingens Sohn Katsuyori nicht länger im Schatten seines Vaters stehen und sich als geeigneter Führer des Clans beweisen…
Kritik:
Da die japanische Produktionsfirma Toho Studios nicht die gesamten umgerechnet sechs Millionen Dollar des Budgets stemmen konnte, halfen George Lucas (der freimütig den Einfluss von Kurosawas „Die verborgene Festung“ auf „Star Wars“ würdigt) und Francis Ford Coppola bei der Finanzierung aus und sorgten dafür, dass 20th Century Fox die internationalen Verleihrechte erhielt. Zudem traten Coppola und Kurosawa gemeinsam in einer Whisky-Werbung auf, um Geld für die Produktion zu gewinnen, bei der übrigens der langjährige „Zatoichi“-Star Shintaro Katsu für die Hauptrolle vorgesehen war, doch war Kurosawa wenig davon angetan, dass Katsu seine eigene Kamera-Crew im Schlepptau mitbrachte, die Kurosawas Prozess der Dreharbeiten festhalten sollte.
Es ist fraglich, ob Katsus Crew viel Freude an dem Vorhaben gehabt hätte, denn „Kagemusha“ wirkt in seiner Erzählstruktur recht unübersichtlich. Bei allen Verwicklungen zwischen den einzelnen Clans, den Spionagetätigkeiten, Zweifeln und Plänen, selbst bei den Massenszenen in der finalen Schlacht stehen doch ganz einfache Themen im Vordergrund.
Während auf der einen Seite immer wieder die Frage aufgeworfen wird, was aus dem Schatten wird, wenn die eigentliche Person nicht mehr vorhanden ist, dass sie dann selbst eigentlich keine Existenzberechtigung, keine eigene Persönlichkeit habe, führt auf der anderen Seite die Gier nach Macht zu einer Selbstüberschätzung, die unzähligen Kriegern das Leben kostet. Wenn Kurosawa in der finalen Schlacht etwa die verfeindeten Lager gegeneinander kämpfen lässt, hört und sieht man auf der einen Seite nur die Schüsse, auf der anderen Seite sieht man nur das Entsetzen der Generäle über das massenhafte Abschlachten ihrer Soldaten, aber nicht die im Kampf sterbenden Krieger selbst. Erst nach der Schlacht bewegt sich die Kamera gemächlich über das Schlachtfeld mit all den Leichen und verletzten Pferden und Soldaten, was eindringlich vor Augen führt, wie überholt nicht nur die Gesellschaftsstruktur ist, sondern wie sinnlos auch der von allzu stolzen Herrschern geführte Krieg. Mehr als die Handlung sind es die zwischen Traum und Realität flirrenden Bilder, die die Sinne des Betrachters fesseln, aber auch die philosophischen Fragen rund um Identität und Schein-Identität, um Aberglaube, Stolz und (Über-)Mut. Trotz seiner kompositorischen Meisterhaft bleibt „Kagemusha“ das wohl am schwersten zugängliche Werk Kurosawas.
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