Madadayo

Seit seinem Regiedebüt mit „Die Legende vom großen Judo“ (1943) hat kaum ein anderer die japanische Filmszene so geprägt wie Akira Kurosawa (1910-1998), war er doch während seiner langen Karriere für auch international gefeierte Meisterwerke wie „Rashomon“ (1950), „Die sieben Samurai“ (1954), „Das Schloss im Spinnwebwald“ (1957), „Yojimbo“ (1961), „Rotbart“ (1965) und „Ran“ (1985) verantwortlich. 1993, fünfzig Jahre nach seinem Debüt und fünf Jahre vor seinem Tod, lieferte Kurosawa mit „Madadayo“ einen altersweisen, lebensbejahenden letzten Film vor, der hierzulande kaum bekannt geworden ist, aber durchaus eine Sichtung lohnt. 

Inhalt: 

Als der sechzigjährige Deutsch-Professor Hyakken Uchida (Tatsuo Matsumura) während des Zweiten Weltkrieges eines Tages vor seine Klasse tritt, verkündet er – von lockeren Sprüchen begleitet – seinen Rücktritt, um sich fortan als Autor von Büchern seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Als er mit seiner Frau (Kyōko Kagawa) 1943 in ein größeres Haus zieht, veranstaltet er ein Abendessen für mehrere seiner Schüler, aber aufgrund der kriegsbedingten Engpässe ist es ihm peinlich, dass er und seine Frau nur Wild- und Pferdefleisch servieren können. 
Bei US-Bombenangriffen wird das Haus allerdings niedergebrannt, worauf Uchida mit seiner Frau gezwungen ist, mit den wenigen verbliebenen Besitztümern in eine kleine Hütte ohne Innentoilette zu ziehen. Nach Kriegsende kommen seine ehemaligen Schüler zusammen, um zu seinen Ehren ein Bankett zu veranstalten. Als er mehrmals gefragt wird, ob er bereit sei zu sterben, antwortet er wiederholt: „Noch nicht“, weshalb das fortan jährlich stattfindende Bankett „das Noch-nicht-Bankett“ genannt wird. Seine mittlerweile zu Wohlstand gelangten Schüle sorgen dafür, dass ihr Professor ein neues Haus mit dem von ihm gewünschten Teich bekommt. 
Mit der streunenden Katze, die er Alley nennt und um die er sich rührend kümmert, scheint sein Glück vollkommen zu sein, doch dann verschwindet die Katze während eines Sturms, was Uchida in eine tiefe Depression stürzt. Erst als ihm und seiner Frau eine neue Katze zuläuft, erholt sich der Professor wieder. Beim bereits siebzehnten Not-Yet-Bankett sind längst nicht mehr nur Uchidas ehemaligen Schüler zugegen, sondern mittlerweile auch die Kinder und Enkelkinder seiner Schüler. Nachdem er von ihnen einen Kuchen erhalten und seine obligatorischen Bemerkungen gemacht hat, bricht Uchida mit Herzrhythmusstörungen zusammen. Er wird nach Hause gebracht, um sich auszuruhen. Er schläft ein und träumt davon, als Kind Verstecken zu spielen… 

Kritik: 

Kurosawas letzter Film basiert auf dem Leben des japanischen Akademikers und Autors Hyakken Uchida (1889-1971), aber es lässt sich leicht erkennen, dass der Protagonist in „Madadayo“ (dt. „noch nicht“) auch die Vorbildfunktion für seine Schüler verkörpert, die Kurosawa selbst als wichtigster Filmemacher seines Landes darstellte. Unaufgeregt, mit der Gelassenheit des Alters und mit dem Blick zurück auf ein erfülltes Leben, erzählt Kurosawa eine episodenhafte Lebensgeschichte, die zum einen von den Entbehrungen in Kriegszeiten geprägt ist, vor allem aber von der Bewunderung und der daraus lebenslangen Unterstützung, die Uchida durch seine ehemaligen Schüler erfährt. Vor allem die Not-Yet-Bankette bilden dabei wie ein jährliches Klassentreffen eine Konstante mit immer den gleichen Ritualen, zu denen das unterbrechungsfreie Austrinken eines riesigen Bierglases durch das Geburtstagskind ebenso gehört wie ausgelassene Lieder, Polonaisen und Lobreden auf den ehrenwerten, großartigen Professor. 
Kurosawa portraitiert den Professor als einen Gelehrten, der keine materiellen Reichtümer anhäufen muss, sondern vor allem durch die Gesellschaft mit anderen aufblüht und dabei nah am Wasser gebaut ist, wenn er entweder besonders rührende oder schmerzvolle Momente erlebt. 
„Madodayo“ reiht sich gewiss nicht in die Meisterwerke ein, die Kurosawa in den fünfzig Jahren seiner eindrucksvollen Karriere immer wieder hervorgezaubert hat. Dazu ist die Geschichte doch zu sprunghaft skizziert worden, die Bilder sind ein wenig zu unspektakulär ausgefallen, die Kommentare zur japanischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs zu vage. Am Ende bleibt ein lebensbejahendes Drama, mit dem Kurosawa durchaus würdevoll von der großen Bühne des Films abgetreten ist, aber nicht zu seinen vielen Must-See-Werken zählt. 

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