The 355
Simon Kinberg hat sich vor allem als Produzent von Action-Filmen wie „X-Men: Erste Entscheidung“, „Abraham Lincoln Vampirjäger“, „Fantastic Four“, „Deadpool“ und „Logan: The Wolverine“ einen Namen gemacht, versuchte sich bei „X-Men: Dark Phoenix“ (2019) aber auch erstmals als Regisseur. Hollywood-Star Jessica Chastain hat wiederum in „Code Ava“ (2020) eine gute Figur als Action-Heldin gemacht. Chastains nächstes Projekt in dieser Richtung wirkt zunächst ambitionierter. In dem von ihr co-produzierten und von Kinberg inszenierten Spionage-Actioner „The 355“ sind es gleich fünf Agentinnen verschiedener Geheimdienste/Nationen, die demonstrieren wollen, dass die Domäne von Franchises wie „James Bond“, „Mission: Impossible“ und „Jason Bourne“ nicht zwingend den Männern vorbehalten sein muss.
Inhalt:
Die beiden CIA-Agenten Mason „Mace“ Brown (Jessica Chastain) und Nick Fowler (Sebastian Stan) werden von ihrem Vorgesetzten Larry Marks (John Douglas Thompson) nach Paris geschickt, wo sie dem kolumbianischen Agenten Luis Rojas (Edgar Ramírez) eine Disk abkaufen sollen, auf der sich ein universelles Computerprogramm zur Entschlüsselung sämtlicher Sicherheitssysteme befindet. Die Übergabe wird allerdings von der deutschen BND-Agentin und Sprengstoffexpertin Marie (Diane Kruger) gestört, der daraufhin die Flucht gelingt.
Auch wenn Marks von dem Fehlschlag bei der Operation wenig angetan ist, lässt er Mace inoffiziell weiter nach der Disk suchen, die in den Händen von Terroristen wie dem skrupellosen Elijah Clarke (Jason Flemyng) den Dritten Weltkrieg hervorrufen könnte. Da Mace ohne ihren in Paris scheinbar getöteten Partner allein auf sich gestellt ist, sucht sie in London ihre alte Freundin, die beim MI6 als Computerspezialistin arbeitende Khadijah (Lupita Nyong'o), auf, während Luis Rojas gleichzeitig in Paris von der kolumbianischen Psychologin Graciela Rivera (Penélope Cruz) kontaktiert wird. Entgegen den Interventionsversuchen von Mace, Marie und Khadijah wird Rojas bereits kurz darauf getötet und die Disk von internationalen Söldnern entwendet. Die drei Frauen schließen sich daraufhin mit Graciela zusammen, der Rojas kurz vor seinem Tod eine Nachverfolgungsmöglichkeit der Disk übertragen hatte. So kann die Gruppe die Söldner samt Disk bis nach Marrakesch verfolgen. Als sie herausfinden, dass die Disk in Shanghai auf einer Auktion versteigert werden soll, bündeln die drei Agentinnen und die Psychologin ihre Kräfte, um an die Disk zu gelangen. Dabei machen sie die Bekanntschaft der mysteriösen Lin Mi Sheng (Bingbing Fan)…
Kritik:
Seit dem Erfolg mit dem historischen weiblichen Ensemblefilm „The Help“ aus dem Jahre 2011 trug sich Hauptdarstellerin Jessica Chastain mit dem Gedanken herum, eine weiteren Ensemblefilm mit Frauen zu drehen, allerdings in dem eindeutig von Männern dominierten Action- und Spionagethriller-Genre. Zwar gab es in den letzten Jahren so einige Produktionen mit schlagkräftigen Frauen in Hauptrollen wie „Atomic Blonde“, „Red Sparrow“, „Lucy“, „Wonder Woman“ oder „Mad Max: Fury Road“, doch abgesehen von der Erfolgs-Serie „3 Engel für Charlie“ ist das Feld rund um Testosteron gesteuerte Franchises wie „James Bond“, „Mission: Impossible“, „Jason Bourne“, „96 Hours“, „John Wick“, „The Expendables“ und „The Equalizer“ nach wie vor reine Männersache.
Daran wird allerdings auch „The 355“ wenig ändern.
Chastain stieß während ihrer Recherchen zu „Zero Dark Thirty“ auf die Bezeichnung „355“, was der Codename für eine der ersten US-Spioninnen während der Amerikanischen Revolution war und deren wahre Identität bis heute nicht gelüftet ist. Für Chastain schien „Code 355“ deshalb der Sammelbegriff für die vielen „unsichtbaren Frauen ohne Namen“ in diversen realen Geheimdiensten zu sein. Kinberg konzentriert sich in seinem zweiten Kinofilm allerdings weniger auf den feministischen oder emanzipierenden Aspekt hinter der gefährlichen Tätigkeit seiner Protagonistinnen.
„The 355“ bedient sich ganz den vertrauten Chiffren des modernen Spionage-Thrillers. Da wird viel geschossen und Nahkampf betrieben, es werden internationale Metropolen bereist und Diversität großgeschrieben, die Bösewichter sind natürlich sehr eindimensional und austauschbar gezeichnet.
Die Hollywood-Stars bekommen dabei leider kaum die Möglichkeit, ihr schauspielerisches Können unter Beweis zu stellen, so sehr dominiert die Action den zunehmend unglaubwürdigen Plot. Allzu große Erwartungen sollte man an das Action-Spektakel nicht haben, doch die Hauptdarstellerinnen sehen sehr gut aus, und die Hochglanz-Action kann sich ebenfalls sehen lassen. Zudem ist das Ganze schick fotografiert und von „Mad Max: Fury Road“- und „Tomb Raider“-Komponist Tom Holkenborg rhythmisch pulsierend vertont worden. Eine Fortsetzung dürfte durchaus im Bereich des Möglichen sein…
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