Der Geschmack von Rost und Knochen

Der französische Filmemacher Jacques Audiard hat bereits mit seinem letzten Film „Ein Prophet“ (2009) ein gutes Gespür für die Darstellung rauer Wirklichkeiten bewiesen. Auch in seinem neuen Werk „Der Geschmack von Rost und Knochen“ begibt sich Audiard in die Dunkelzonen der Gesellschaft, um eine gänzlich andere Liebesgeschichte zu erzählen.
Ali (Matthias Schoenaerts) und sein fünfjähriger Sohn Sam (Armand Verdure) sind gerade völlig abgebrannt und reisen zu Alis Schwester Anna (Corinne Masiero) in Antibes, wo die beiden in der Garage Unterschlupf finden. Als ehemaliger Boxer findet der Gelegenheitsarbeiter einen Job als Türsteher bei einer Diskothek, wo er nach einer Schlägerei die dabei verletzte Stéphanie (Marion Cotillard) nach Hause bringt. In der Hoffnung auf eine unverfängliche Affäre steckt Ali der attraktiven Orca-Trainerin seine Telefonnummer zu. Der Anlass für ihren Anruf ist jedoch weit weniger erfreulich: Bei einer ihrer Shows kommt es zu einem folgenschweren Unfall, Stéphanie verliert dabei beide Unterschenkel. Völlig niedergeschlagen zieht sie sich von allen ihr nahe stehenden Menschen zurück und vegetiert in ihrer neuen Wohnung vor sich hin, die die Versicherung ihr bezahlt. Doch Ali schert sich nicht um ihre Verstümmelung, sondern bringt sie auf seine ihm eigene pragmatische Art zurück ins Leben.
Ali verdient mittlerweile gutes Geld bei geheimen Straßenkämpfen und vergnügt sich mit Gelegenheitsbekanntschaften. So unterschiedlich Stéphanie und Ali auch sind, so entwickelt sich zwischen den beiden doch mehr als nur bloße Freundschaft, doch ein weiterer Schicksalsschlag droht die außergewöhnliche Beziehung wieder zu gefährden …
Es gehört schon einiges an inszenatorischer Finesse dazu, um eine so unmöglich erscheinende Liebesgeschichte überzeugend erzählen zu können. Doch schon mit den Hauptrollen hat Audiard eine perfekte Wahl gefunden. Matthias Schoenaerts („Black Book“, „Die Meute“) verleiht seinem Ali die richtige Mischung aus draufgängerischem Raubein, überforderten Vater und unbekümmerten Freund und Liebhaber, wobei er alle Aspekte seiner Figur gleichermaßen glaubwürdig verkörpert. Etwas einfacher angelegt ist dagegen Marion Cotillards („La vie en rose“, „Inception“) Stéphanie. Ihre Entwicklung von einer selbstbewussten, attraktiven Frau über eine lebensmüde Versehrte hin zu einer wieder hoffnungsfrohen Frau, die mit beiden (nun künstlichen) Beinen ins Leben zurückfindet, folgt eher vorsehbaren Bahnen, doch verleiht die Oscar-Preisträgerin ihrer Rolle enorm viel Charisma, wirkt in der einen Szene wunderbar verführerisch, dann wieder extrem verletzlich.
Die Beziehung zwischen Ali und Stéphane kommt nicht ganz ohne Klischees aus, doch das spannungs- und wendungsreiche Drehbuch bietet immer wieder außergewöhnliche Höhepunkte, an denen sich die beiden Figuren neu definieren müssen. Dieses vielschichtige Auf und Ab ist virtuos von Stéphane Fontaine („Inside Hollywood“, „Ein Prophet“) fotografiert und mit der zarten Musik von Alexandre Desplat („Argo“, „Zero Dark Thirty“) wundervoll untermalt. Schließlich sorgt das dramatische Finale dafür, dass „Der Geschmack von Rost und Knochen“ lange im Gedächtnis des Zuschauers haften bleibt.
"Der Geschmack von Rost und Knochen" in der IMDb

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