Mystic River

Auch wenn sich Clint Eastwood mit seinen vorangegangenen Filmen „Absolute Power“, „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“, „Ein wahres Verbrechen“ und „Blood Work“ vor allem im Thriller-Genre gewirkt hat, setzte er weniger auf Action, sondern eine sorgfältige Erzähldramaturgie. Das trifft insbesondere auf sein zweifach Oscar-prämiertes Meisterwerk „Mystic River“ zu, das auf dem Bestseller „Spur der Wölfe“ von Dennis Lehane („Shutter Island“, „The Drop – Bargeld“) basiert und vor allem durch seine bedrückende Atmosphäre und den grandiosen Cast besticht.
In ihrer Jugend waren Jimmy (Sean Penn), Dave (Tim Robbins) und Sean (Kevin Bacon) die besten Freunde. Doch als sie eines Tages auf der Straße von mutmaßlichen Polizisten zur Rede gestellt wurden, weil sie ihre Namen in eine frisch betonierte Stelle auf dem Bürgersteig ihres Viertels geritzt haben, sollte Dave in den Wagen steigen. Doch statt zu seiner Mutter gebracht zu werden, sperrten die beiden Männer den Jungen in einem Kellerloch ein und missbrauchten ihn vier Tage lang, ehe Dave fliehen konnte. 25 Jahre später haben sich die Freunde von damals nahezu aus den Augen verloren. Erst als Jimmys 19-jährige Tochter Katie (Emmy Rossum) nach einer ausgelassenen Sause mit ihren Freundinnen in einer Bar am nächsten Tag tot im Wald aufgefunden wird, kreuzen sich ihre Wege wieder. Dave hat Karriere bei der Polizei gemacht und leitet mit seinem Partner Whitey (Laurence Fishburne) die Ermittlungen. Dabei gerät nicht nur Katies Freund Brendan Harris (Tom Guiry) unter Verdacht, mit dem Katie am nächsten Morgen heimlich nach Las Vegas durchbrennen wollte, um zu heiraten, sondern auch Dave, der einer der Letzten gewesen war, der Katie in der Bar lebend gesehen hat und erst um 3 Uhr in der Früh blutüberströmt nach Hause gekommen ist. Seiner Frau Celeste (Marcia Gay Harden) erzählte er, dass er überfallen worden wäre und den Täter wahrscheinlich sogar umgebracht habe, aber Celeste beginnt zunehmend an der Geschichte ihres Mannes zu zweifeln. Währenddessen unternimmt Jimmy eigene Nachforschungen im Viertel, bis er zu der Erkenntnis gelangt, dass Dave mehr über Katies Ermordung weiß, als er bislang zugegeben hat …
Dass so viele Romane von Dennis Lehane verfilmt worden sind, verwundert nicht, denn der in Boston geborene und lebende Autor beweist in seinen Werken ein gutes Gespür für interessante Figuren und die Beschreibung der Atmosphäre des Milieus, in dem seine dramatischen Geschichten spielen. „Spur der Wölfe“ war der erste Roman, der außerhalb seiner Reihe um die Privatdetektive Patrick Kenzie und Angela Gennaro erschien, und erregte gleich das Interesse von Clint Eastwood, der die packende Geschichte um Schuld und Sühne von Brian Helgeland („L.A. Confidential“, „Blood Work“) zu einem Drehbuch umschreiben ließ, das sich ganz auf die Beziehungen zwischen den Jugendfreunden konzentriert. Die kurze Eröffnungssequenz mit den fröhlich spielenden Jungs auf der Straße in einem Bostoner Arbeiterviertel mit der anschließenden Entführung von Dave reicht aus, um den Eindruck eines ungeheuerlichen Vorgangs zu hinterlassen, der die Beteiligten für immer verändern wird.
Nach dem Sprung in die Gegenwart wird Dave als liebevoller, aber etwas beschränkt wirkender Familienvater präsentiert, der seinen Sohn den kurzen Weg zur Schule begleitet. Ebenso wie er ist auch Jimmy dem Viertel treu geblieben. Sean Penn („21 Gramm“, „Milk“) hat für seine Verkörperung des zornigen Jimmy zurecht den Oscar als bester Hauptdarsteller gewonnen, denn die Wut und Anspannung, die seine Figur antreibt, ist in jeder Sekunde seiner Leinwandzeit fast physisch zu spüren. Ähnlich wie zuvor „Blood Work“ bietet auch „Mystic River“ einen klassischen Whodunit-Plot, doch Eastwood geht es sichtlich nicht um vordergründige Action und Spannung, sondern um die von Tod, Trauer, Wut, Verzweiflung und Schuld geprägten Beziehungen zwischen den alten Jugendfreunden, zu denen Sean völlig den Kontakt verloren hat, als er sich bewusst für eine Karriere bei der Polizei entschieden und das Viertel hinter sich gelassen hatte. Er hat allerdings nicht nur den Kontakt zu seinen alten Freunden, sondern auch zu seiner Frau verloren, die ihn immer wieder anruft, ohne aber etwas zu sagen. Der Beruf ist alles, was er noch hat. Der Polizeidienst scheint sein Mittel zu sein, mit den Ereignissen von damals ins Reine zu kommen, denn ebenso wie Jimmy weiß er, dass das Leben für sie alle eine andere Wendung genommen hätte, wenn einer von ihnen und nicht Dave damals ins Auto gestiegen wäre.
Dave ist in vielerlei Hinsicht das tragischste Opfer der Geschichte. Während Katie wenigstens eine ausgefüllte Jugend bis zu ihrer Ermordung gehabt hatte, trägt Dave noch immer schwer an der Last der mehrtägigen Misshandlung als Kind. Trotz seiner Familie treibt er irgendwie verloren durch sein Leben, und durch seine Art, mit Katies Tod umzugehen, macht er sich immer verdächtiger. Tim Robbins („Arlington Road“, „Die Verurteilten“) spielt die tragische Figur absolut glaubwürdig und hat den Oscar als bester Nebendarsteller mehr als verdient. Wie Eastwood die Fäden der polizeilichen Ermittlungen und Jimmys eigene Nachforschungen zusammenführt, ist einfach großartig und beschwört eine bedrückende Stimmung herauf. So ist Eastwood mit „Mystic River“ ein exzellent inszeniertes Thriller-Drama gelungen, das durch seinen dramatisch gestrickten Plot und seine tragisch miteinander verstrickten Figuren ebenso ausgezeichnet wird wie durch die durchweg brillanten Darsteller und die stimmungsvolle Milieustudie.
"Mystic River" in der IMDb

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