Sugar Hill

Barry Michael Cooper weiß, wovon er schreibt. Der in Harlem geborene und aufgewachsene Drehbuchautor, Produzent und Regisseur erregte mit seiner im Februar 1986 veröffentlichten Titelstory „Crack“ im Spin Magazine, vor allem aber mit der im Dezember 1987 erschienenen Village-Voice-Titelgeschichte „Motor City Breakdown: New Jack City Eats Its' Young“ die Aufmerksamkeit von Quincy Jones und und den Produzenten George Jackson und Rudy Langlais, die Cooper damit beauftragten, das Drehbuch für „New Jack City“ zu schreiben. Der 1991 von Mario Van Peebles realisierte Film bedeutete nicht nur für den Regisseur, sondern auch für die Darsteller Wesley Snipes, Chris Rock und Ice-T einen mächtigen Karriereschub. Zwei Jahre später erschien mit „Sugar Hill“ ein thematisch ähnlich angelegter, wiederum auf einem Skript von Cooper basierendes Drama mit Wesley Snipes in der Hauptrolle, doch ist „Sugar Hill“ düsterer und persönlicher ausgefallen.
Bereits als Kinder mussten die in Harlem aufgewachsenen Brüder Roemello (Wesley Snipes) und Raynathan (Michael Wright) erfahren, welch schädlichen Einfluss Drogen auf das Leben haben, wurden sie doch Zeugen, wie ihre Mutter an den Folgen einer Überdosis starb und ihr Vater (Clarence Williams III) seine vielversprechender Karriere als Musiker für das Drogengeschäft aufgab und dies beinahe mit dem Leben bezahlen musste. Als Erwachsene sind sie selbst Teil des Geschäfts mit den Drogen und genießen den damit verbundenen Luxus von Stammplätzen in exquisiten Clubs und Restaurants, schnellen Autos, schönen Frauen und schicken Klamotten. Doch ihre Vormachtstellung beginnt zu bröckeln, als der lokale Mafioso Gus Molino (Abe Vigoda) dem einflussreichen Dealer Lolly Jonas (Ernie Hudson) gestattet, in ihrem Revier Geschäfte zu machen. Für Roemello scheint es Zeit zu sein, aus dem Geschäft auszusteigen, zumal er mit der attraktiven Melissa (Theresa Randle) eine Frau kennengelernt hat, mit der er sich gemeinsam ein bürgerliches Leben vorstellen kann, und nicht mehr mitansehen will, wie sein Vater langsam an den Drogen zugrunde geht. Doch sein temperamentvoller Bruder Raynathan will Lolly das Feld nicht kampflos überlassen und macht die Dinge noch schlimmer, als sie es ohnehin schon sind …
Der kubanische Filmemacher Leon Ichaso hat vor „Sugar Hill“ überwiegend Fernsehfilme und einzelne Folgen von Fernsehserien wie „Miami Vice“ und „Crime Story“ inszeniert. Mit „Sugar Hill“ bewies er allerdings ein gutes Gespür für eine dicht inszenierte Milieustudie, die natürlich auch Barry Michael Coopers Drehbuch geschuldet ist. Die eingangs eingeblendeten Schwarz-Weiß-Fotografien zeugen noch von glücklicheren Tagen auf den Straßen des überwiegend von Schwarzen bevölkerten Harlem. Daran erinnert sich auch noch der alte Mafioso Gus, doch mittlerweile hätte das Geschäft mit den Drogen alles kaputtgemacht, das Viertel und die darin lebenden Menschen nachhaltig verändert – und zwar nicht zum Positiven. Obwohl Roemello und Raynathan mit eigenen Augen sehen konnten, was Drogen mit ihrer Mutter angerichtet haben (was Ichaso in einer eindringlichen Schwarz-Weiß-Sequenz festgehalten hat), sind sie nun selbst Teil der Szene und genießen die Macht und den Luxus.
Um etwas Spannung in die Dramaturgie zu bringen, sorgt ein neu im Viertel auftauchender Geschäftsmann für die obligatorischen Revierkämpfe, in denen Beteiligte auf beiden Seiten ihr Leben lassen müssen. Doch Ichaso ist mehr an seinen Figuren interessiert, daran, wie sich die ungleichen Brüder in Harlem behaupten und ihr Leben gestalten wollen. Roemello träumt eher davon, dem Drogengeschäft ganz den Rücken zu kehren, auch Melissa zuliebe, die von seinen Geschäften angewidert ist, während Raynathan vor allem auf Rache an den Männern sinnt, die für das Schicksal ihrer Eltern verantwortlich gewesen sind. Die überzeugenden Schauspieler, die düstere Atmosphäre und der wunderbar jazzige Score von Terence Blanchard machen die Neu-Veröffentlichung des Films auf Blu-ray zu einem sehenswerten Drama, das allerdings einige Längen aufweist und die Drogenproblematik sehr plakativ darstellt.
"Sugar Hill" in der IMDb

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