The Professor and the Madman

Das umfangreichste Wörterbuch der englischen Sprache, das Oxford English Dictionary (OED), hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Nachdem 1604 das erste rein englische Wörterbuch veröffentlicht wurde, nahm die Philological Society 1857 das Mammutprojekt in Angriff, ein umfassendes Wörterbuch der englischen Sprache zu erstellen, doch erst durch die Berufung des Sprachengenies James Murray kam das ambitionierte Programm voran. Tatkräftige Unterstützung erhielt er dabei ausgerechnet von einem psychopathischen Mörder, der ihm aus dem Sanatorium heraus mit den notwendigen Belegen versorgte. Mel Gibson nahm sich der Verfilmung von Simon Winchesters biografischen Bestseller „The Professor and the Madman“ als Produzent an und ließ das packende Drama von „Apocalyto“-Drehbuchautor Farhad Safinia mit Gibson selbst in der Hauptrolle OED-des Projektleiters und Sean Penn als Chirurg mit mörderischen Wahnvorstellungen inszenieren.
Zwanzig Jahre, nachdem die Philological Society dem Aufruf von Richard Chenevix Trench, Dekan von Westminster Abbey, gefolgt war und ein umfassendes Wörterbuch der englischen Sprache zu erstellen, das von der Oxford University Press herausgegeben werden sollte, scheint das ambitionierte Projekt zum Scheitern verurteilt. Erst als dem in vielen Sprachen bewanderten, allerdings ohne akademische Grade versehenen James Murray (Mel Gibson) 1877 die Leitung des Mammutprojekts übergeben wird, machen sich Fortschritte bemerkbar. Da das Lexikon nicht nur die Hochsprache, sondern auch den Sprachgebrauch des einfachen Volkes beinhalten soll, lässt Murray Anschreiben in alle Arten von Büchern einlegen, mit dem er die Leser auffordert, beliebige Wörter, die ihnen beim Lesen besonders auffallen, aufzulisten und mit Textstellen zu belegen. Trotz der zahlreichen Zuschriften kommt das Unternehmen jedoch weiterhin nicht so schnell voran wie geplant. Erst als der amerikanische Chirurg Dr. William Chester Minor (Sean Penn) auf ein solches Anschreiben stößt und Murray seine Unterstützung anbietet, nimmt das Unterfangen an Fahrt auf. Minor leidet unter Verfolgungswahn und hat aus Versehen den unschuldigen Mann von Eliza Merrett (Natalie Dormer) erschossen, fristet nun sein Dasein in einem Sanatorium, in dem Dr. Richard Brayn (Stephen Dillane) alles unternimmt, dem armen Mann zu helfen. So richtet er ihm eine Bibliothek ein und unterstützt Minor auch in einer ganz persönlichen Angelegenheit: Durch den Wärter Mr. Muncie (Eddie Marsan) lässt Minor seine Pension aus seiner Tätigkeit als Soldat an die mittellose und alleinerziehende Witwe Merrett überbringen, doch die weigert sich zunächst. Erst als sie dem Mörder ihres Mannes persönlich im Sanatorium begegnet, lässt sie sich erst auf die monetären Zuwendungen und schließlich persönliche Kontakte mit dem psychopathischen Akademiker ein. Dessen Zustand verschlechtert sich aber plötzlich so stark, dass die Veröffentlichung des OED gefährdet ist …
Die Erstellung eines Wörterbuchs, selbst wenn es sich um das berühmte Oxford English Dictionary handelt, ist sicherlich nicht zwingend ein Thema, für das sich ein Kinopublikum begeistern lässt. Dass sich unter dem etwas reißerischen Titel „The Professor and the Madman“ jedoch ein faszinierende Geschichte verbirgt, ist natürlich der außergewöhnlichen Konstellation und Freundschaft zweier Männer zu verdanken, die mit verschiedenen Hintergründen ihre Liebe zur Sprache zum Ausdruck bringen und auf bemerkenswerte Weise gemeinsam ein Werk auf den Weg gebracht haben, das mittlerweile 20 Bände mit etwa 600.000 Schlagwörtern und rund 2,5 Millionen Nachweisen umfasst.
Der Film erzählt zunächst unabhängig die Geschichten von Murray und Minor. Auf der einen Seite erleben wir den gottesfürchtigen Familienmenschen Murray, der in der Herausgabe des OED die Chance seines Lebens sieht, auf der anderen Seite einen traumatisierten Kriegsveteran, der sich von einem Mann mit einem Brandmal im Gesicht verfolgt fühlt und irrtümlicherweise den Mann von Eliza Merrett tötet. Safinia und seinen Drehbuchautoren (u.a. „Excalibur“-Regisseur John Boorman) ist es gelungen, die akribische Arbeit an dem Wörterbuch durchaus kurzweilig zu inszenieren. Die Arbeit in den von Büchern und Pinnwänden und Zettelbergen gefüllten Räumen ist vor allem für Buchliebhaber schön anzusehen. Während die beginnende Freundschaft zwischen Murray und Minor dem Film sein Gewicht verleiht, drängt sich auch die Beziehung zwischen Minor und der Witwe Merrett in den Vordergrund, wobei die vertraute Nähe, die die beiden zueinander entwickeln, nicht wirklich überzeugend rüberkommt.
Dafür erleben wir Sean Penn („Mystic River“, „Dead Man Walking“) einmal mehr in einer physisch beeindruckend gespielten Rolle, die den Wahn, die Schuldgefühle und die Leidenschaft für die englische Sprache nachvollziehbar macht. Dagegen wirkt Mel Gibson in seiner Rolle als Projektleiter des OED fast schon zahm und zurückhaltend. Erst in seiner persönlichen Ansprache an Winston Churchill tritt er gewohnt leidenschaftlich auf. Fortan sind es eher die Freundschaften zwischen Murray und Minor auf der einen und zwischen Minor und Merrett auf der anderen Seite, die den Plot prägen und die Arbeit an dem Wörterbuch fast in den Hintergrund drängen. Diese zwischenmenschliche Note macht „The Professor and the Madman“ schließlich auf für ein Publikum interessant, das nicht unbedingt über die Entstehung eines Wörterbuchs unterrichtet werden möchte. Das bis in die Nebenrollen stark besetzte und wunderbar gespielte, toll ausgestattete Historiendrama macht einen bedeutenden Teil der viktorianischen Geschichte sehr lebendig, leidet aber etwas unter der zunehmend emotionalisierten, nicht immer glaubwürdigen Ausrichtung des Plots. Sean Penn ist aber einmal mehr eine Oscar-würdige Peformance gelungen, die lange nachhallt. Ab dem 05.12. ist der Film, der seine Deutschland-Premiere beim Fantasy Filmfest 2019 feierte, bei New KSM Cinema auf DVD und Blu-ray erhältlich.
"The Professor and the Madman" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts