Pat Garrett jagt Billy the Kid

Obwohl Sam Peckinpah 1969 mit „The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz“ einen Kinoerfolg feiern durfte und einen Klassiker des Western-Genres schuf, auf den mit der Western-Ballade „Abgerechnet wird am Schluss“ (1970), dem Thriller-Drama „Wer Gewalt sät“ (1971) und dem Action-Thriller-Drama „Getaway“ (1972) weitere herausragende Filme folgten, haben sich die Arbeitsbedingungen für ihn in Hollywood nicht verbessert. Bestes Beispiel für die desolate Beziehung zwischen Peckinpah und Hollywood ist der 1973 unter katastrophalen Bedingungen entstandene Spät-Western „Pat Garrett jagt Billy the Kid“.

Inhalt:

Der einst gefürchtete Bandit Pat Garrett (James Coburn) will sich im Jahr 1881 in New Mexico häuslich niederlassen und hat deshalb eine Anstellung als Sheriff von Lincoln County angenommen. Bevor er die Stelle in fünf Tagen antritt, stattet er seinem früheren Weggefährten Billy the Kid (Kris Kristofferson) in Fort Sumner einen letzten Besuch ab und bittet ihn, aus dem Land zu verschwinden, sonst sei er gezwungen, dafür Sorge zu tragen, dass Billy ins Kittchen gesperrt wird. Billy lässt sich von dieser Drohung mitnichten einschüchtern und zieht mit seinen Leuten weiterhin sein Ding durch. Garrett jedoch lässt seiner Warnung Taten folgen und umstellt das Haus, in dem sich Billy und seine Männer aufhalten, mit seinen Deputies und zwingt Billy schließlich zur Aufgabe. Doch als Billys Hinrichtungstermin näher rückt, gelangt der junge Gangster auf dem Klosett an eine Waffe und erschießt auf seiner Flucht die beiden Gesetzeshüter Bell und Ollinger.
Erneut bleibt Pat Garrett nichts anderes übrig, als dem Willen der Stadtbevölkerung zu folgen und Jagd auf Billy the Kid zu machen. Auch wenn er dafür die erforderliche Unterstützung durch den ehemaligen Gesetzlosen Alamosa Bill (Jack Elam) erhält, den er zum Deputy macht, und Druck durch Gouverneur Wallace (Jason Robards) und den ihn umgebenden Geschäftsleuten bekommt, lässt sich Garrett Zeit bei der Verfolgung, vergnügt sich mit allerlei Freudenmädchen und fordert schließlich den alten Sheriff Baker (Slim Pickens) auf, ihn mit zur Farm von Black Harris (L.Q. Jones) zu begleiten, um dort nach Spuren von Billy zu suchen, der mit seiner Bande schließlich nach Fort Sumner zurückgekehrt ist. Als Billy und seine Bande dem Großgrundbesitzer Chisum (Barry Sullivan) Vieh gestohlen haben, ermahnt Chisum den Sheriff, seine Pflicht zu tun. In Fort Sumner kommt es zum unvermeidlichen Showdown zwischen Pat Garrett und Billy the Kid …

Kritik:

Es war ein steiniger Weg für Sam Peckinpah, für das produzierende Studio MGM den Spätwestern „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ nach dem Roman „The Authentic Death of Hendry Jones“ von Charles Neider, der sich wiederum am Pat Garretts Biografie „The Authentic Life of Billy the Kid“ anlehnte, annähernd nach seinen Vorstellungen zu verwirklichen. Sein eigenes Drehbuch wurde zu Teilen in Marlon Brandons einziger Regiearbeit „Der Besessene“ verwendet, doch Produzent Gordon Carroll beauftragte Rudy Wurlitzer mit einem neuen Drehbuch. MGM stellte aber eine viel zu geringe Drehdauer und ein zu schmales Budget zur Verfügung, so dass Peckinpah vor Ort viel improvisieren musste, dabei aber auf die ihm wohl gesonnenen Darsteller zählen konnte. Fehlerhaftes Filmmaterial, Peckinpahs eigenen Alkoholprobleme und eine Viruserkrankung in der Crew taten ihr übriges, der Produktion zuzusetzen. Am Ende hat MGM Peckinpahs Schnittfassung noch ordentlich zusammengekürzt.
Trotz aller Widrigkeiten ist „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ ein phänomenaler Spät-Western geworden, der vertraute Themen in Peckinpahs Werk aufgreift und sie auf moderne Weise dem Abgesang auf den Mythos des Wilden Westens anpasst. Im Zentrum der Geschichte steht natürlich die titelgebende, Vater-Sohn-ähnliche Beziehung zwischen Pat Garrett und Billy the Kid. Während Pat Garrett bereit scheint, sich den veränderten Zeiten anzupassen, bleibt sich Billy the Kid treu, wohl wissend, dass er damit sein Schicksal besiegelt. Zwar lebt Billy the Kid sein Leben weitestgehend nach seinem Gusto, befindet sich aber immer auf der Flucht.
Garrett wiederum wechselt zwar auf die Seite des Gesetzes, verrät aber seine Freunde. Aus dieser Konstellation heraus inszeniert Peckinpah einen ruhig erzählten Western, der nicht müde wird zu betonen, dass die alten Helden ausgestorben sind, dass Gut und Böse nicht mehr klar voneinander zu trennen sind, dass der alte Pioniergeist profitorientierten Geschäftemachern gewichen ist, dass Verrat über Freundschaft und das Geld über Freiheit triumphieren. Peckinpah unterstreicht diese fundamentale Wandlung durch direkte Bezüge zum Ende der Hippie-Bewegung, indem er ganz bewusst mit Country- und Rock-Stars wie Kris Kristofferson und Bob Dylan zusammenarbeitete. Vor allem Kristofferson, mit dem Peckinpah auch seinen vorletzten Film „Convoy“ (1978) realisierte, verkörpert als Billy the Kid das Leben eines Rockstars nach dem Motto „Live fast, die young“. Er und seine Gefolgsleute leben ganz im Hier und Jetzt, ohne besondere Ziele. Dennoch gehören Billy und seiner Gang die Sympathien nicht nur des Hollywood-Outlaws Peckinpah, sondern auch des Publikums, denn der Gegenentwurf einer korrupten und profitorientierten Gesellschaft – siehe die Affäre von Watergate – erscheint alles andere als erstrebenswert. Dazu passt auch der ungewöhnliche Soundtrack von Bob Dylan, der zunächst am Set einfach einige Songs spielte, die Komponist Jerry Fielding („The Wild Bunch“, „Der Texaner“) in seine Filmmusik einbauen sollte, doch Fielding warf bei der Zusammenarbeit mit Dylan entnervt das Handtuch, so dass Dylan mutigerweise auch mit der Arbeit an dem Score beauftragt wurde.
Die exzessive Darstellung von Gewalt in Zeitlupe aus mehreren Perspektiven hat Peckinpah wiederum nicht als Selbstzweck inszeniert, sondern nur als Konsequenz der Entscheidungen von Männern, die gegen ihren freien Willen handeln und dabei ihrem sicheren Tod entgegentreten. Diese fatalistische Grundhaltung wird durch die scharfzüngigen, brillanten Dialoge und den bitterbösen Humor noch verstärkt.
Nachdem der Film lange Zeit überhaupt nicht auf DVD erhältlich war, haben Turner Entertainment und Warner Bros. 2006 endlich eine Special Edition sowohl mit einer 2005 erfolgten neuen Schnittfassung mit 110 Minuten Filmlänge als auch einer sechs Minuten längeren Preview-Fassung von 1988 veröffentlicht.
"Pat Garrett jagt Billy the Kid" in der IMDb

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