Wer Gewalt sät

Vor allem durch sein gewaltexzessives Spät-Western-Meisterwerk „The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz“ (1969) hat sich der US-amerikanische Filmemacher Sam Peckinpah Spitznamen wie „Bloody Sam“ oder „Picasso of Violence“ erworben, um dann mit „Abgerechnet wird zum Schluss“ (1970) einen fast schon sanften Abgesang auf den alten Westen abzuliefern. Mit „Wer Gewalt sät“ (1971) präsentierte Peckinpah daraufhin nicht nur seinen ersten Nicht-Western, sondern kehrte wieder zu seinem vorherrschenden Thema zurück und lieferte eine schonungslos düstere Studie der Gewalt ab.

Inhalt: 

Um in Ruhe sein mit einem Stipendium finanziertes Buch schreiben zu können, entflieht der junge Mathematiker David Sumner (Dustin Hoffman) den durch den Vietnam-Krieg hervorgerufenen und von gewalttätigen Ausschreitungen begleiteten Unruhen in den USA mit seiner Frau Amy (Susan George) nach England in das abgelegene Haus, in dem Amy einst mit ihrem Vater gelebt hatte. Während sich David in Ruhe seiner Arbeit widmen will, kümmert sich einer der Dorfbewohner um das marode Dach der Garage, doch da der Handwerker nur schleppend mit seinem Auftrag vorankommt, nimmt David gern die angebotene Hilfe von Charlie Venner (Del Henney) an, der sich vor allem darauf freut, dadurch in der Nähe von Amy sein zu können, in die er schon früher verschossen gewesen war. Da sich Amy zu langweilen beginnt, flirtet sie nicht nur mit Charlie, sondern zieht in ihrem freizügigen Outfit auch die Aufmerksamkeit seiner Kumpels auf sich, die er zur Baustelle mitgenommen hat, bis sie sogar mit freiem Oberkörper vor dem Fenster posiert, wo sie die Männer natürlich angaffen. Der friedfertige David erscheint den Männern im Dorf als ein nur leichtes Hindernis. Nachdem einer der Arbeiter bereits eines von Amys Höschen entwendet hat, töten sie auch Amys Katze und hängen sie im Kleiderschrank im Schlafzimmer auf. David ist allerdings zu feige, um die Männer zur Rede zu stellen. Als Charlie und seine Jungs David eines Tages zu einem Jagdausflug mitnehmen, nutzt Charlie die Gelegenheit, die im Haus zurückgebliebene Amy zu vergewaltigen, nicht ahnend, dass sein Kumpel Norman (Ken Hutchison) auch seinen Spaß mit Amy haben will. Als David allein von dem Ausflug zurückkehrt, erfährt er nichts von Amys Vergewaltigung, doch um die wachsende Distanz zu ihr zu überwinden, erklärt er sich bereit, sie zum geselligen Abend zu begleiten, zu dem sie vom örtlichen Reverend Hood (Colin Welland) und seiner Frau eingeladen worden sind. Durch den Lärm, den die Kinder veranstalten, wird Amy immer wieder an ihre Vergewaltigung erinnert, so dass sie mit ihrem Mann die Veranstaltung früh verlässt. Unterwegs fahren sie den zurückgebliebenen Henry Niles (David Warner) an, der sich zuvor von der jungen Janice (Sally Thomsett) zu einem Spaziergang einladen ließ und sie versehentlich tötete, als sie ihn erst verführen und dann abblitzen lassen wollte.
David und Amy nehmen den leicht verletzten Mann zu sich nach Hause. Derweil haben sich der raubeinige Tom Hedden (Peter Vaughan) und seine Söhne auf die Suche nach Janice und Henry gemacht und wollen Henry mit Gewalt aus dem Haus der Sumners holen, um ihn zu lynchen, doch das versucht David um jeden Preis zu verhindern …

Kritik: 

Sam Peckinpah hat mit „Straw Dogs – Wer Gewalt sät“ einen Roman von Gordon M. Williams adaptiert und zusammen mit David Zelag Goodman („Fahr zur Hölle, Liebling“, „Flucht ins 23. Jahrhundert“) das Drehbuch verfasst. Er nimmt sich viel Zeit, vor allem die Atmosphäre in dem kleinen englischen Dorf zu beschreiben, in das Amy mit ihrem amerikanischen Mann zurückgekehrt ist, damit dieser in Ruhe an seinem Buch arbeiten kann. Die hübsche Amy zieht mit ihrem aufreizenden Auftreten mit kurzem Rock und engen Pullover ohne Büstenhalter schnell die Blicke der Männer auf sich, womit Peckinpah gleich in der Anfangssequenz das Gewaltpotenzial seiner Geschichte aufdeckt.
Es sind zunächst nur kleine Anzeichen, die auf die unvermeidliche Eskalation hindeuten, wobei Peckinpah auch die Frage aufwirft, inwieweit die selbstbewusste Amy mit ihrem provokativ aufreizenden Verhalten ihre Vergewaltigung sogar herausgefordert hat. Wie groß das Gewaltpotenzial in dem Dorf ist, wird aber schon in der ersten Szene in dem Pub deutlich, wo sich David nur ein Päckchen Zigaretten besorgen will und Zeuge wird, wie der alte Tom nach der Sperrstunde noch auf einem weiteren Bier besteht und dies mit Gewalt einfordert, wobei nicht mal der anwesende Friedensrichter Major John Scott (T.P. McKenna) etwas auszurichten vermag. Nicht nur in dem Verhältnis zwischen Amy und den lüsternen Männern liegt die Gefahr von Gewalt, sondern auch in dem zwischen dem Hedden-Clan und den Niles-Brüdern, da sie den zurückgebliebenen Henry verdächtigen, den Kindern, mit denen er spielt, gefährlich nahe zu kommen.
Doch im Zentrum der Geschichte steht David Sumner, der von Beginn als Mann portraitiert wird, der jeder Art von Gewalt aus dem Weg geht – zunächst den Ausschreitungen im eigenen Land, dann auch in dem englischen Dorf, wo er sich bemüht, sich mit den Einheimischen gutzustellen, indem er ihnen Arbeit gibt und Runden im Pub ausgibt. Doch durch seine linkische Art wird David von den raubeinigen Kerlen schnell als Opfer ausgemacht, der keine wirkliche Hürde auf dem Weg zu ihrem Ziel bedeutet, Spaß mit seiner Frau zu haben. Dass sie die getötete Katze sogar im Kleiderschrank des Schlafzimmers deponieren und unbemerkt eines von Amys Höschen entwenden, zeigt, dass sie ohne Probleme in den privatesten Bereich der Sumners vordringen können.
Besonders eindringlich ist Peckinpah schließlich die Vergewaltigungsszene gelungen, die er im Wechsel mit Davids einsamer Stellung bei der Entenjagd geschnitten hat. Nachdem David zuvor eher linkisch mit dem Gewehr hantierte, trifft er gerade in dem Moment eine Ente, als Charlie Amy vergewaltigt. Dies ist der Punkt, an dem auch David die Grenze von einem überzeugten Pazifisten zu einem Mörder überschritten hat. Die Vergewaltigungsszene ist auch deshalb interessant, weil sich Amy sich nur teilweise gegen den gewalttätigen Akt wehrt (was in der lange Zeit nur in der verkürzten Version des Films nicht zur Geltung gekommen ist). Schließlich hat sie Charlie freiwillig die Tür geöffnet und ihn auf einen Drink eingeladen, also von Beginn an mit dem Feuer gespielt.
Das Finale bietet schließlich einen furiosen Showdown, wie man ihn von „The Wild Bunch“ kennt. Die Gewalt, die Peckinpah hier entfesselt, kennt keine Grenzen, auch nicht bei David, den Dustin Hoffman großartig verkörpert. Auch wenn sich darüber streiten lässt, ob die Gewalt, die Amy angetan wird, auch mit Lust vermischt wird, macht Peckinpah in „Wer Gewalt sät“ vor allem deutlich, dass Gewalt in jedem von uns steckt und unter bestimmten Voraussetzungen zügellos ausbrechen kann.
"Wer Gewalt sät" in der IMDb

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