Das stumme Duell
In seinem 1948 entstandenen Drama „Engel der Verlorenen“ bewies Akira Kurosawa ein mehr als glückliches Händchen, als er erstmals die beiden Schauspieler Toshiro Mifune und Takashi Shimura vor der Kamera gemeinsam agieren ließ. Auch im nachfolgenden Drama „Das stumme Duell“ (1949), Kurosawas einziger Adaption eines zeitgenössischen Theaterstücks, setzte er die beiden Darsteller ein, diesmal aber nicht als Antagonisten, sondern als Vater-und-Sohn-Gespann in einem Krankenhaus, in dem sie nicht nur die Wunden ihrer Patienten zu versorgen haben.
Inhalt:
Während des Zweiten Weltkriegs muss der junge und idealistische Arzt Kyoji Fujisaki (Toshiro Mifune) unter extrem schwierigen Bedingungen in einem Feldlazarett operieren. Als er bereits völlig erschöpft einen Soldaten operiert, dessen Lebenskräfte schnell zu schwinden scheinen, legt Kyoji die Handschuhe ab und schneidet sich an einem Skalpell, das er achtlos beiseitegelegt hatte.
Wie er später erfährt, war dieser Soldat namens Susumu Nakada (Kenjiro Uemura) an Syphilis erkrankt. Da die entsprechenden Medikamente zur Behandlung während des Krieges nicht immer verfügbar waren, zieht sich Kyojis Heilungsprozess nach seiner Heimkehr über Jahre hin.
Während er im Krankenhaus seines Vaters Konosuke Fujisaki (Takashi Shimura) arbeitet, ist seine Verlobte Misao Matsumoto (Miki Sanjo) völlig verstört, dass Kyoji ohne Angabe von Gründen die geplante Hochzeit nicht vorantreibt und sehr in sich gekehrt wirkt.
Als er seinem Vater von seiner Syphilis-Erkrankung erzählt, ist dieser zunächst schockiert, weil er davon ausgeht, dass Kyoji sich die Krankheit durch leichtfertigen Umgang mit anderen Frauen zugezogen habe, doch als Kyoji die Sache richtigstellt, ist sein Vater zwar sehr betrübt, drängt Kyoji aber dazu, Misao reinen Wein einzuschenken, damit sie sich einen neuen Mann suchen kann. Misao ist nach der Auflösung der Verlobung am Boden zerstört, entschließt sich trotz ihrer anhaltend starken Gefühle gegenüber Kyoji, einen anderen Mann zu heiraten.
Währenddessen trifft Kyoji auf Susumu Nakada, den Soldaten aus dem Lazarett, bei dem er sich angesteckt hatte. Er muss feststellen, dass dieser, entgegen sämtlicher Moral, auch seine Frau Takiko (Chieko Nakakita) mit der Syphilis angesteckt hat, die nun ein Kind erwartet. Für Susumu und sein noch ungeborenes Kind kommt jegliche Rettung zu spät, aber seine Frau kann noch rechtzeitig mit einer Behandlung beginnen…
Kritik:
Dass Kurosawa einen seltenen Ausflug in die Adaption eines Theaterstücks unternommen hat, sieht man „Das stumme Duell“ schnell an, spielt sich die Handlung abgesehen von der eröffnenden tragischen Szene im verregneten Militärlazarett doch komplett in der Klinik von Vater und Sohn ab, die dort nicht nur regelmäßig von Kyojis Verlobten Misao besucht werden, sondern die bei ihrer Arbeit vor allem von der selbstmordgefährdeten, schwangeren Krankenschwester Rui (Noriko Sengoku) unterstützt werden, die zudem selbst Gefühle für den schwermütigen Arzt entwickelt.
Das Drama handelt vor allem von der moralischen Integrität des jungen Arztes Kyoji, der nie die Gelegenheit bekam, seine körperlichen Begierden zu befriedigen, und durch die Syphilis-Erkrankung, die er sich ohne eigene Schuld zugezogen hat, sich dieses Vergnügen auch in Zukunft versagen muss. Er stellt damit das genaue Gegenteil zu dem egoistischen Soldaten Susumu Nakada dar, der im Lazarett noch damit geprahlt hat, unzählige Frauen gehabt zu haben, und nach seiner Heimkehr seine nichtsahnende Frau geschwängert hat.
Während Susuma, der seine Krankheit nie akzeptiert und dementsprechend auch nicht behandelt hat, elendig zugrunde geht, schafft es Kyoji im emotional aufwühlenden Finale zumindest, sich seine Gefühle wenigstens von der Seele zu reden, was dem Drama am Ende noch einen Hoffnungsschimmer verleiht.
Formal agiert Kurosawa routiniert und ohne große künstlerische Finessen.
So erweist sich „Das stumme Duell“ als vor allem menschlich bewegendes Drama mit guten Darstellerleistungen und einer leicht moralisierenden Botschaft, die höchstwahrscheinlich der US-amerikanischen Zensur zu verdanken ist.
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