Ferrari

Mit Meisterwerken wie „Der letzte Mohikaner“, „Heat“, „Insider“ und „Collateral“ hat sich „Miami Vice“-Schöpfer Michael Mann als versierter Stilist in Hollywood einen Namen gemacht, der nach dem Desaster mit dem Hacker-Drama „Blackhat“ (2015) zwar einige Kratzer abbekommen hat, doch meldete sich der mittlerweile 80-jährige Filmemacher mit „Ferrari“, dem Biopic über den legendären Rennwagenbauer Enzo Ferrari, nach acht Jahren Pause, umso eindrucksvoller zurück. 

Inhalt: 

1957, zehn Jahre nachdem Enzo Ferrari (Adam Driver) und seine Frau Laura (Penélope Cruz) die Luxuswagenfirma aus dem Nichts aufgebaut haben, steht Ferrari vor dem Bankrott. Nicht mal hundert Luxuskarossen hat Ferrari in diesem Jahr verkauft - zu wenig, um den Rennsport, dem Enzos ganze Leidenschaft gehört, finanzieren zu können. Dunkle Wolken hängen nicht nur über dem Unternehmen, sondern auch über der Ehe. Enzo und Laura haben sich nach dem tragischen Tod ihres gemeinsamen Sohnes völlig auseinandergelebt. 
Gegen seine Affären hat Laura, die praktisch das Unternehmen führt, nichts, solange, dass er jeden Morgen pünktlich, vor den Hausangestellten, am Frühstückstisch sitzt. Als Laura aber von Enzos langjähriger Liebschaft mit Lina Lardi (Shailene Woodley) erfährt, für die er ein Landhaus außerhalb von Modena gekauft und mit der er sogar ein Kind gezeugt hat, entfacht sie einen Krieg um die Firma. Enzo sieht sich gezwungen, einen Investor zu finden, denn wenn er Laura ausbezahlen muss, wäre das Ende seines Lebenswerks besiegelt. Während Enzo mit sich ringt, ob er den mit Lina gezeugten Jungen Piero offiziell als seinen Sohn anerkennen soll, sieht er sich mit der Tatsache konfrontiert, dass ausgerechnet der Konkurrent Maserati den Streckenrekord im Autodromo di Modena, praktisch vor der Haustür der Ferrari, gebrochen hat. 
Die Rettung der Firma sieht er in dem Gewinn des prestigeträchtigen Autorennens Mille Miglia, das auf über 1000 Meilen auf öffentlichen Straßen durch Italien führt. Zu den fünf Ferrari-Fahrern um Piero Taruffi (Patrick Dempsey) nimmt er noch den Spanier Alfonso de Portago (Gabriel Leone), der schon früher für Ferrari gefahren ist, ins Team auf. 
Als das Rennen schließlich gestartet wird, stehen Enzo, die Fahrer und die Crew gleichermaßen unter Stress. Kurz vor dem Ziel kommt es zu dem katastrophalen Crash. De Portago und sein Beifahrer sind sofort tot, der Unfallort ist ein Horror von Leichenteilen, Verletzten, Autotrümmern, Feuer und Verwüstung. Techniker und Mitarbeiter der Scuderia eilen zum Unfallort, nicht aber Enzo Ferrari. Seine Aufmerksamkeit gilt einem früher abgelehnten Fahrer, der jetzt zur Vertragsunterzeichnung in sein Büro eingeladen wird… 

Kritik: 

Michael Mann trug sich bereits seit fünfzehn Jahren mit dem „Ferrari“-Projekt herum, der Verfilmung des 1991 veröffentlichten Buchs „Enzo Ferrari – The Man, The Cars, The Races, The Machine“ des 2016 verstorbenen Journalisten Brock Yates. Der 2009 verstorbene Drehbuchautor Troy Kennedy Martin („Charlie staubt Millionen ab“, „Auftrag Rache“) verarbeitete dabei auch das Skript, das David Rayfiel für die ursprünglich geplante Verfilmung durch Sydney Pollack erarbeitet hatte. 
Bis zur Umsetzung des Projekts verging vor allem deshalb so viel Zeit, weil sich die Finanzierung des Budgets von letztlich 90 Millionen Dollar in die Länge zog. Das Warten und der Aufwand haben sich allerdings mehr als gelohnt. 
Adam Driver, der bereits in Ridley Scotts „House of Gucci“ einen italienischen Unternehmer überzeugend verkörperte, strahlt mit seinen hier grauen Haaren eine einschüchternde Würde aus – zumindest gegenüber seinen Angestellten, Fahrern und Reportern, von denen nur diejenigen Zugang zu Ferraris Geschichten bekommen, die mit ihrer Berichterstattung auch den Vorstellungen des Rennwagen-Liebhabers folgen. Seine Frau Laura dagegen zeigt sich davon unbeeindruckt. Auf temperamentvolle Weise gibt sie ihrem Mann zu verstehen, dass er gefälligst nach der Übernachtung bei einer seiner Geliebten rechtzeitig zum Frühstück zu Hause zu sein habe – notfalls mit Waffengewalt. Michael Mann zeichnet das eindringliche Portrait eines Mannes, der in seiner Rennwagenwelt genau weiß, was er will, nämlich den absoluten Erfolg. 
Dass er weniger Luxuswagen verkauft als erwartet, kümmert ihn wenig, aber auf der Rennstrecke muss Ferrari alle Rekorde brechen, immer oben auf dem Treppchen stehen. Im privaten Bereich zeigt sich Enzo Ferrari aber erstaunlich unausgeglichen. So weiß er nicht, welchen Stellenwert seine Beziehung zu Lina in seinem Leben hat, ob der mit ihr gezeugte Sohn den Verlust seines Erstgeborenen irgendwie auffangen könnte. 
Wenn Ferrari in der Familiengruft Zwiesprache mit seinem toten Sohn hält oder Piero einfühlsam einen väterlichen Rat erteilt, darf sich Enzo Ferrari auch von seiner gefühlvollen Seite zeigen und Adam Driver seine stärksten Szenen präsentieren. Die Höhepunkte des Films sind aber natürlich die Szenen auf den Rennstrecken. Hier erzeugt Mann zusammen mit seinem Kameramann Erik Messerschmitt („Mank“, „Der Killer“) – wenn auch mithilfe von CGI-Technik – atemberaubende Sequenzen, in denen die Rennwagen durch die majestätische italienische Landschaft rasen. 
Der tragische Unfall kurz vor dem Ziel der Mille Miglia, bei dem neun Menschen, darunter fünf Kinder, starben und nach dreißig Jahren zu einem Verbot des Rennens führte, ist spektakulär mit mehreren Kameras in einem Take gefilmt worden und erfasst das ganze Grauen mit durchtrennten Leibern und abgetrennten Gliedmaßen rund um den Unfallort. 
Adam Driver ist der Dreh- und Angelpunkt des Films und lässt sowohl Penélope Cruz als auch Shailene Woodley („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, „Die Bestimmung – Divergent“) kaum zur Entfaltung kommen. Dafür fügen sich die Darsteller und Ferraris Geschichte perfekt in das exquisite Produktionsdesign und den in einer Woche fertiggestellten Soundtrack von Daniel Pemberton („Spider-Man: Across the Spider-Verse“, „Slow Horses“) ein. 

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