Ein wunderschöner Sonntag
Als Akira Kurosawa 1943 mit „Die Legende vom großen Judo“ sein Regiedebüt feierte und damit den Grundstein für seine über vierzigjährige Karriere legen sollte, stand Japans Kapitulation im Zweiten Weltkrieg am 2. September 1945 noch bevor, und Kurosawa sah sich zunächst gezwungen, propagandistische Filme zur Erbauung der japanischen Bevölkerung und Soldaten zu drehen. Das Blatt wendete sich 1946 mit dem regimekritischen Drama „Kein Bedauern für meine Jugend“, das jedoch unter dem Einfluss der US-amerikanischen Übergangs-Administration stand. Aber erst mit „Ein wunderschöner Sonntag“ (1947) konnte Kurosawa sein außergewöhnliches Talent als Geschichtenerzähler unter Beweis stellen.
Inhalt:
Während Yuzo (Isao Numasaki) am Bahnhof auf die Ankunft seiner Freundin Masako (Chieko Nakakita) wartet, beobachtet er das rege Treiben auf dem Gleis und entdeckt auf dem Boden vor ihm eine halb aufgerauchte Zigarette. Er schaut sich etwas unsicher und verschämt um und steckt sie sich gerade in dem Moment in den Mund, als Masako neben ihm auftaucht. Es ist wieder einmal Sonntag, der einzige Tag, an dem sich die beiden Verliebten sehen können. Yuzo ist frustriert, dass er nur über 15 Yen verfügt und seiner Freundin damit nichts bieten kann.
Doch der lebensfrohen Masako ist das egal, sie bringt ihre eigenen 20 Yen mit ins Spiel. Damit ist klar, dass sich die beiden an diesem Tag nicht viel leisten können, was Yuzo weit mehr betrübt und sich als Versager fühlen lässt. Also spazieren die beiden durch Tokio und suchen nach preisgünstigen Aktivitäten. Die Besichtigung eines Musterhauses führt den beiden Verliebten vor Augen, dass sie sich selbst ein so kleines Häuschen mit ihrem monatlichen Lohn nicht leisten können. Durch ein weiteres Pärchen, das das Haus besichtigt, erfahren Yuzo und Masako von einem günstigen Zimmer, das in der Nähe der Eisenbahngleise zu vermieten ist, doch der Besuch dort frustriert das Paar noch mehr.
Hin und wieder gelingt es der bemühten Masako, ihren deprimierten Freund aufzumuntern, wenn er etwa Baseball auf einer Straße mit ein paar Kindern spielt, mit Masako in einem Trümmerfeld die Einrichtung eines eigenes Cafés durchspielt oder zum Ende hin Franz Schuberts „Unvollendete Symphonie“ vor einem imaginierten Orchester und Publikum dirigiert. Doch immer wieder werden diese fröhlichen Szenen von frustrierenden und niederschmetternden Momenten abgelöst…
Kritik:
Kurosawa hat mit „Ein wunderschöner Sonntag“ eine zutiefst berührende Liebesgeschichte im von Inflation und Armut gebeutelten Nachkriegsjapan inszeniert und sich dabei ganz auf diesen einen Sonntag fokussiert, den Yuzo und Masako in Tokio miteinander verbringen.
In der Art, wie er die beiden Geliebten über ihre momentane Situation lamentieren lässt, wie er ihnen durch die belebten Straßen in den Zoo, in Cafés und ins Theater folgt, kommen einem die sozialromantischen Komödien von Frank Capra und der italienische Neorealismus (Vittorio De Sicas „Fahrraddiebe“) in den Sinn.
Wenn Yuzo und Masako ihre letzten 20 Yen beispielsweise für zwei Karten der B-Kategorie zu einer Aufführung von Schuberts „Unvollendete Symphonie“, bei der sie sich einst kennengelernt haben, anstellen, müssen sie erleben, dass zwei Männer das gesamte Kontingent der 10-Yen-Karten aufkaufen und sie für 15 Yen das Stück weiterverkaufen. Yuzo ist von diesem gierigen Verhalten so entsetzt, dass er eine Prügelei anfängt.
Doch es sind vor allem die fantasievollen Szenen, die „Ein wunderschöner Sonntag“ so sehenswert machen. Wenn Yuzo sich von dem Optimismus seiner Freundin mitreißen lässt und mit ihr die Eröffnung eines „Cafés für die Massen“ auf einem von Trümmern übersäten Grundstück plant, mit ihr auf einer Schaukel dem Vollmond entgegenschwingt und er ganz in der Rolle des Dirigenten in dem verwaisten Amphi-Theater aufgeht, ist die Armut, von der sie umgeben und selbst betroffen sind, schnell vergessen. Vor allem, wenn sich die beiden Geliebten am Ende auf der Bühne so herzzerreißend küssen.
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