Ein streunender Hund

Akira Kurosawa, der zwischen 1943 und 1993 bei über dreißig Filmen Regie führte und zu fast dreimal so vielen das Drehbuch verfasste, hat nach eher propagandistischen Frühwerken zur Zeit des Zweiten Weltkriegs 1947 mit „Ein wunderschöner Sonntag“ seine eigene Bildsprache gefunden, doch erst seinen ersten, 1948 entstandenen Film noir „Engel der Verlorenen“ betrachtete der Filmemacher als den ersten Film, den er selbst machen konnte. Die erste Zusammenarbeit zwischen den beiden Schauspielern Toshiro Mifune und Takashi Shimura in einem Kurosawa-Film setzte sich in dem meisterhaften Noir „Ein streunender Hund“ auf wunderbare Weise fort. 

Inhalt: 

Während die japanische Metropole Tokio unter der mörderischen Hitze eines der heißesten Sommer seit Jahren leidet, wird dem jungen Polizisten Murakami (Toshiro Mifune) vom Morddezernat in einem vollgedrängten Linienbus seine mit sieben Patronen geladene Dienstpistole gestohlen. Für diese Schmach rechnet Murakami mit den schlimmsten Konsequenzen für seine noch junge Karriere, doch von einer Entlassung will sein Vorgesetzter nichts wissen. Stattdessen stellt er ihm den älteren Kollegen Sato (Takashi Shimura) vom Diebstahldezernat zur Seite, mit dem sich Murakami auf die Suche nach der Waffe macht. 
Die beiden kommen dem Waffenhehler Hondo (Reisaburo Yamamoto) auf die Spur, den sie im Baseball-Stadion festnehmen können, doch fehlt von der Waffe weiterhin jede Spur. Als damit ein Überfall verübt wird, bei dem ein Mensch verletzt wird, ist Murakami zwar auf ein Neues schockiert, dafür gerät ihm und Sato nun der Gangster Yusa (Isao Kimura) ins Visier. 
Als bei einem weiteren Überfall eine Frau getötet wird, geraten die beiden Polizisten unter immer größeren Zeitdruck. Fünf Patronen stehen Yusa noch zur Verfügung. Sie erhoffen sich Hilfe von Harumi Namaki (Keiko Awaji), der Freundin Yusas, die als Tänzerin in einer Revue arbeitet, doch das Mädchen will nichts mit den Polizisten zu tun haben. Dafür verrät ihnen ihre Mutter, dass Yusa noch vor kurzem im Haus gewesen ist. Während Murakami bei dem Mädchen bleibt, macht sich Sato allein auf die Verfolgung Yusas… 

Kritik: 

Mit „Ein streunender Hund“ ist Akira Kurosawa nicht nur ein formal grandioser Film noir gelungen, sondern er nutzt die mit zwei Stunden etwas sehr lange Spielzeit auch dazu, die Abgründe in verschiedenen Lebensbereichen der von einer erdrückenden Hitzewelle gequälten Hauptstadt zu bebildern. 
Was sich anfangs wie die bloße Aufklärung eines für einen jungen Polizisten am Anfang seiner Karriere peinlichen Diebstahl seiner Dienstwaffe anlässt, entwickelt sich wie bei Kurosawa üblich schnell zu einem gesellschaftskritischen Drama, bei dem die Jagd nach dem Waffendieb zu einer Exkursion durch die unterschiedlichsten Bereiche des großstädtischen Lebens wird, von der bedrängten Fahrt in einem nicht klimatisierten Linienbus über eine umtriebig geleitete Polizeistation bis hin zu Massenveranstaltungen im Baseball-Stadion, Hotels, High-Society-Clubs und einfachen Wohnhäusern. Der Schweiß, der allen Beteiligten vom Gesicht tropft und nur mühsam immer wieder weggewischt oder mit Ventilatoren und Fächern weggewedelt werden kann, wird ebenso zum ständigen Wegbegleiter wie die in Großaufnahmen gezeigten Füße, die die Beteiligten durch die staubigen Straßen der Stadt tragen und hetzen, von einem Anhaltspunkt zum nächsten, bis sich die Wege von Murakami und Sato trennen und die Tragödie ihrem Höhepunkt entgegenfiebert. 
„Ein streunender Hund“ stellt letztlich eine Schnitzeljagd dar, die die beiden engagierten Beamten zu zermürben droht, so wenige echte Anhaltspunkte finden sie unterwegs. Auch wenn Kurosawa gerade in der zweiten Hälfte zu Wiederholungen neigt, bleibt er doch formal stets auf der Höhe und bietet seinem Publikum einen vielschichtigen Einblick in die oft verstörenden Identitäten von in anonymen Großstädten lebenden Menschen, die oft den einfachsten Weg suchen, um über die Runden zu kommen, ohne Rücksicht auf die Gesellschaft und ihre nächsten Mitmenschen. 
Wie schon zuvor in „Engel der Verlorenen“ harmonieren Toshiro Mifune und Takashi Shimura großartig miteinander auf der Leinwand ab und tragen maßgeblich dazu bei, Kurosawas Filmkunst zu veredeln. 

Kommentare

Beliebte Posts