Eiskalt wie das Schweigen
Bevor Georges Lautner so prominente Jean-Paul-Belmondo-Filme wie „Der Windhund“, „Der Puppenspieler“ und „Der Profi“ inszenierte, hatte er sich mit Thrillern wie „Der Bulle“ (1968) und „Der Fall Serrano“ (1977) einen Namen gemacht, aber auch sehr viel Dutzendware hervorgebracht. Dazu zählt leider auch das hochkarätig besetzte und nach einem Roman von Richard Matheson („Duell“, „Tanz der Totenköpfe“) entstandene Psychodrama „Eiskalt wie das Schweigen“ (1974).
Der Fernseh-Drehbuchautor François Rollin (Claude Brasseur) sucht am Strand von Nizza an der Côte d’Azur Inspiration für die nächste Folge einer Serie und trifft dort auf eine mysteriöse junge Frau, Peggy Lister (Mireille Darc), die ihn an die Heldin seiner Geschichte erinnert und sofort in den Bann zieht. Seine Versuche, sie näher kennenzulernen, blockt sie zunächst entschieden ab, lässt sich dann aber doch von seiner Hartnäckigkeit erweichen und gibt ihm ihre Nummer. Doch sobald er Peggy wiederzusehen versucht, bekommt er es sowohl mit dem grimmigen Gärtner Albert als auch dem bulligen Chauffeur Steig (Emilio Messina) zu tun, der zugleich als rechte Hand des Rechtsanwalts Marc Rilson (Alain Delon) fungiert, der mehr als nur ein berufliches Interesse an der psychisch labilen Peggy hat, was sowohl seiner Ehefrau (Nicoletta Machiavelli) als auch seinem jüngeren Bruder Denis (Fiore Altoviti) bekannt ist.
Wie Rollin von dem Anwalt erfährt, ist Peggy wegen des Mordes an ihrem Mann, einem Drogendealer, angeklagt, aber freigesprochen worden, da mehrere psychiatrische Gutachten ihre geistige Gesundheit in Frage stellten. Als jedoch weitere Morde geschehen, hat Commissaire Garnier (André Falcon) vor allem Rollin im Visier…
Kritik:
Mit der Verfilmung des frühen, bereits 1953 veröffentlichten Romans „Someone Is Bleeding“ von Richard Matheson ist Georges Lautner ein abgründiger Psychothriller gelungen, der vor allem aus der undurchsichtigen Dreierkonstellation zwischen der sehr attraktiven, aber psychisch labilen und gut abgeschirmten Peggy und ihren beiden völlig unterschiedlichen Verehrern seine Spannung bezieht. Lautner, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, nimmt sich viel Zeit, die unterkühlte Atmosphäre im herbstlichen und ziemlich verlassenen Nizza als adäquate Kulisse für die problematische ménage à trois zu etablieren, denn die im Verborgenen brodelnden Leidenschaften werden nicht mal im Ansatz ausgelebt. Das liegt vor allem daran, dass der wie ein frisch verliebter Junge agierende Claude Brasseur („Die Außenseiterbande“, „Monsieur auf Abwegen“) als mittelmäßiger Drehbuchautor bei seiner verehrten Peggy überhaupt nicht zum Zuge kommt. Mireille Darc („Weekend“, „Galia“) tritt dagegen wie eine klassische Femme fatale auf, verdreht den Männern reihenweise den Kopf, doch mehr als ein Küsschen für ihren Verehrer Rollin ist nicht drin.
Der Anwalt wiederum kann seine Gefühle nicht ausleben, weil er als Anwalt seine Berufsehre nicht aufs Spiel setzen will und zudem mit einer Frau verheiratet ist, die von den Affären ihres Mannes durchaus weiß. Statt diese Konstellation – in die auch Rollins jüngerer Bruder verwickelt ist – weiter auszuloten, driftet die Story in eine nur mäßig spannend gestaltete Krimihandlung ab, die nur noch mehr Verwirrung stiftet, aber die Verhältnisse zwischen den Figuren nicht befriedigend klärt. So bleibt das Potenzial der prominenten Besetzung weitgehend verschenkt.
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