Hass

Die Stimmung in den Pariser Vororten könnte 1995 nicht schlechter sein. Während die desillusionierten Jugendlichen in den trostlosen Betonwüsten ihrer Wut über fehlende Zukunftsperspektiven zunehmend mit Gewalt Ausdruck verleihen, reagieren die Ordnungskräfte über die Maßen aggressiv und verletzen den jungen Abdel so schwer, dass er ins Koma fällt. Seine drei ebenfalls aus Einwandererfamilien stammenden Bekannten Vinz (Vincent Cassel), Saïd (Saïd Taghmaoui) und Hubert (Hubert Koundé) werden von der Polizei im Krankenhaus nicht mal als Besucher vorgelassen. 
Immer wieder sehen sie sich in Auseinandersetzungen mit der Polizei konfrontiert, haben es dabei mit mehr und weniger verständnisvollen Cops zu tun, doch es scheint nicht viel zu fehlen, bis das Pulverfass hochzugehen scheint. Als der jähzornige Vinz die bei den vorangegangenen Unruhen verlorene Pistole eines Polizisten findet, fühlt er sich schon längst nicht mehr so hilflos gegenüber der Staatsgewalt. 
Inspiriert von einem Vorfall aus dem Jahre 1995, als ein Polizist bei einem Verhör den jungen Zairer Makomé tötete, schuf Regisseur Mathieu Kassovitz noch im selben Jahr das Milieu-Krimi-Drama „Hass“, indem er auf dokumentarisch wirkende Weise in ernüchternden Schwarz-Weiß-Bildern die drei Protagonisten einen Tag und eine Nacht lang durch ihr trostloses Leben begleitete. Beginnend mit den erschreckenden Archivaufnahmen der dem Film zugrundeliegenden Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Polizeikräften und randalierenden Jugendlichen, die von Bob Marleys „Burnin' and Lootin'“ untermalt werden, führt gerade Kassovitz' Konzentration auf nur einen Tag im Leben der hoffnungslosen Jungerwachsenen dazu, das ganze Elend, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint, schonungslos und ungeschminkt zu präsentieren. Dabei erhebt der Regisseur nie den Zeigefinger und bietet auch keine Lösungsmöglichkeit für die desolaten sozialen Verhältnisse an, die er in seinem Film abbildet. Der nahezu völlige Verzicht auf emotionalisierende musikalische Untermalung und die ruhige, rein beobachtende Kamera verstärken den dokumentarischen Charakter der wirkungsvollen Milieustudie. Vor allem der junge Vincent Cassel stellt den kurz vor der Gewaltexplosion stehenden Vinz überzeugend dar und zieht stets die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich. Ihm und Regisseur Kassovitz ist es zu verdanken, dass „La Haine“ (so der Originaltitel) zu den wichtigsten Beiträgen zum Genre des Milieu-Dramas zählt und leider noch sehr aktuell ist.  

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