Blade Runner

Mit seinem 1979 inszenierten Science-Fiction-Horror „Alien“ hat der britische Filmemacher Ridley Scott einen Klassiker des Genres geschaffen, der bis heute nicht nur erfolgreich in Serie gegangen ist, sondern zum Maßstab für geworden ist, wenn es darum geht, Horror im Weltall zu thematisieren. Drei Jahre später legte Scott eindrücklich mit einem weiteren Genre-Meisterwerk nach, zog sich mit der Adaption von Philip K. Dicks „Do Androids Dream of Electric Sheep“ (1968) aus den Weiten des Weltalls auf die einstige Stadt der Engel zurück, die anno 2019 zu einem dunklen Moloch verkommen ist und Menschen von den ihnen nachgebildeten Replikanten kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. 

Inhalt: 

Los Angeles, 2019. Rick Deckard (Harrison Ford) war einst ein erstklassiger Blade Runner, ausgebildet, um sogenannte Replikanten, die von Menschen nach ihrem Ebenbild erschaffen wurden, um als Sklaven auf außerirdischen Kolonien zu arbeiten, auszuschalten, sobald sie verbotenerweise auf die Erde zurückgekehrt sind. Eigentlich hat Deckard seinen Job an den Nagel gehängt, doch eine akute Notsituation hat Polizeichef Bryant (M. Emmet Walsh) dazu veranlasst, Deckard durch den Cop Gaff (Edward James Olmos) zu ihm bringen zu lassen. 
Offensichtlich ist es sechs Nexus-6-Replikanten gelungen, zur Erde zu gelangen, wo sie bereits 23 Menschen getötet haben. Da sie im Laufe der Zeit lernen, eigene Gefühle zu entwickeln, wurde als Sicherheitsmechanismus eine auf vier Jahre begrenzte Lebenszeit programmiert. Zwei der sechs Replikanten konnten bereits ausgeschaltet werden, nun soll sich Deckard der verbliebenen vier Androiden annehmen. Ablehnen kann er den Auftrag nicht, sein eigenes Leben hätte dann auch eine extrem verkürzte Lebensdauer. Da die Replikanten Roy Batty (Rutger Hauer), Leon (Brion James), Pris (Daryl Hannah) und Zhora (Joanna Cassidy) sicherlich ihrem Schöpfer Tyrell (Joe Turkel) gegenübertreten wollen, um ihr Leben verlängern zu lassen, stattet Deckard der Tyrell Corporation einen Besuch ab, wo Tyrell ihn einen Replikanten-Test mit Rachael (Sean Young) durchführen lässt. 
Sie ist hochentwickelte Replikantin, die mit Erinnerungen von Tyrells Nichte gespeist worden ist und nicht weiß, dass sie eine Replikantin ist. Batty gelingt es über einen von Tyrells Mitarbeitern, den genetischen Ingenieur J. F. Sebastian (William Sanderson), zu Tyrell zu gelangen, doch als dieser dem Replikanten offenbart, dass es keine Möglichkeit gebe, sein Leben zu verlängern, tötet Batty seinen Schöpfer. Als Deckard in die Fänge von Leon gerät, rettet ihn nur der beherzte Einsatz von Rachael, in die sich Deckard verliebt, wohl wissend, dass sie eine Replikantin ist… 

Kritik:

Bereits mit der ersten Einstellung, einem Panorama über dem nächtlichen, nur von Neonlichtern und Explosionsfeuern erhellten Stadt Los Angeles, entführt Ridley Scott seine Zuschauer in ein düsteres Neo-Noir-Szenario einer verregneten, verdreckten und verkommenen Stadt, aus der sich die wohlhabenden Weißen längst in elegant ausgestattete Off-World-Kolonien abgesetzt haben, für die sie Replikanten als Sklaven mit übermenschlichen Kräften entwickelt haben. Mit der Jagd auf abtrünnige Replikanten, die nur durch versierte Befragungen mit technischer Unterstützung von echten Menschen unterschieden werden können, setzen sowohl der berühmte Science-Fiction-Autor Philip K. Dick („Total Recall“, „A Scanner Darkly“, „Minority Report“) als auch Regisseur Ridley Scott die Frage in den Mittelpunkt, was den Menschen letztlich zum Menschen macht. Sind es die Träume, Erinnerungen oder Gefühle? Ist es ein Bewusstsein über die eigene Existenz? 
Dem genetischen Designer Sebastian gegenüber proklamiert Batty etwa, dass Replikanten keine Computer seien, sondern körperlich. Sebastian wiederum verfügt über keine echten Freunde, sondern bastelt sich welche. Die Grenzen verschwimmen ständig, wie vor allem in der zarten Romanze zwischen Deckard und Rachael deutlich wird. Ebenso wie Rachael nicht weiß, dass sie eine Replikantin ist, kann auch Deckard letztlich nicht zweifelsfrei von seiner menschlichen Natur ausgehen. 
Scott verwendet eine Vielzahl von religiösen, künstlerischen und philosophischen Verweisen, um die Thematik des menschlichen Bewusstsein aufzugreifen, etwa in der Fokussierung auf das Auge, über das mit technischen Hilfsmitteln erkannt werden kann, ob das zu untersuchende Objekt ein Replikant ist oder nicht. Passenderweise tötet Batty seinen Schöpfer, indem er ihm die Augen ausquetscht. 
Die Filmarchitektur vermischt auf gekonnt postmodernistische Weise Einflüsse von Fritz Langs „Metropolis“ (1927), dem Film noir und Künstlern wie Edward Hopper und Moebius, wird nur durch riesige Neon-Werbetafeln beleuchtet, während sich die Menschen verschiedenster Kulturen dumpf durch die Tristesse regennasser, verdreckter und dampfender Straßen bewegen. 
Im Gegensatz dazu wirken die Replikanten energischer, stärker und emotionaler. Immer wieder, bis zum eindrucksvollen Finale, das an Fred Zinnemanns „12 Uhr mittags“ (1952) erinnert, macht Scott deutlich, wie ähnlich sich Menschen und Replikanten letztlich sind. 
Die unzähligen Verweise, die beeindruckende Filmarchitektur und nicht zuletzt Vangelis‘ kongenialer elektronischer Score machen „Blade Runner“ zu einem Meisterwerk, das immer wieder zum Betrachten und Nachdenken einlädt.  

Kommentare

Beliebte Posts