Inherent Vice - Natürliche Mängel
Seit seinem Langfilmdebüt mit „Last Exit Reno“ (1996) hat sich Paul Thomas Anderson zu einem der faszinierendsten Filmemacher unserer Zeit gemausert, der neben Meisterwerken wie „Boogie Nights“, „Magnolia“ und „The Master“ auch reihenweise Musikvideos für Acts wie Fiona Apple, Aimee Mann, Radiohead und Haim produziert. 2014 hat er sich des Romans „Inherent Vice“ von Thomas Pynchon angenommen und mit den grandiosen Schauspielern Joaquin Phoenix und Josh Brolin in den Hauptrollen einen wunderbar abgedrehten Detektiv-Film mit Hippie-Attitüde abgeliefert.
Inhalt:
Los Angeles im Jahr 1970. Der Privatdetektiv Larry „Doc“ Sportello (Joaquin Phoenix) hat es sich gerade wieder mal mit einem Joint daheim auf dem Sofa gemütlich gemacht, als seine Ex-Freundin Shasta (Katherine Waterston) plötzlich in seinem Wohnzimmer auftaucht und ihn um Hilfe bittet. Als Geliebte des schwerreichen Bau-Löwen Mickey Wolfmann (Eric Roberts) habe sie vom Plan seiner Frau Sloane (Serena Scott Thomas) und deren Liebhaber erfahren, Wolfmann zu entführen und in eine psychiatrische Anstalt zu stecken, was Shasta unbedingt verhindern will. Doch kaum hat Doc mit seinen Nachforschungen begonnen, verschwinden sowohl Wolfmann als auch Shasta spurlos. Kurz darauf wird Doc allerdings von dem Schwarzen Tariq Khalil (Michael Kenneth Williams) damit beauftragt, Schulden ausgerechnet bei einem von Wolfmanns Bodyguards, Glen Charlock (Christopher Allen Nelson), einzutreiben.
Interessanterweise hat Khalil als Mitglied der Black Guerilla Family im Gefängnis Geschäfte mit dem Angehörigen der Aryan Brotherhood betrieben. Auf der Suche nach dem Mann sucht Doc einen Sex-Club in der Wüste auf, doch endet die Stippvisite mit einem Knockout, worauf Doc neben der Leiche des Gesuchten aufwacht, als eine ganze Armada von Polizeifahrzeugen bereits Stellung bezogen hat. Der für seine knallharte Art berüchtigte Lieutenant Detective Christian „Bigfoot“ Bjornsen (Josh Brolin) nimmt Doc in Gewahrsam, doch Docs Kumpel Sauncho Smilax (Benicio Del Toro) bekommt den gutmütigen Detektiv problemlos frei, nicht ohne Bjornsens Angebot, dass Doc als Informant für die Polizei arbeiten könne.
Während Docs gegenwärtige Freundin, die stellvertretende District Attorney Penny Kimball (Reese Witherspoon) es durchaus für möglich hält, dass Doc im Drogenrausch Charlock umgebracht haben könnte, versucht Jade (Hong Chau), eine ehemalige Angestellte in Wolfmanns Bordell, Doc vor dem Drogenring „Golden Fang“ zu warnen.
Als hätte Doc nicht schon genügend Trubel um sich herum, taucht auch noch sein Kumpel Coy Harlingen (Owen Wilson) auf, der als Polizei-Informant arbeite, aber aussteigen wolle und nun Angst um sein Leben habe…
Kritik:
Mit „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ hat Thomas Pynchon („Vineland“, „Die Versteigerung von No. 49“) sicher seinen eingängigsten Roman geschaffen und eine durchweg amüsante Kriminalgeschichte vor dem Hintergrund der ausgehenden Hippie-Bewegung, US-Präsident Nixon und seines Vietnam-Kriegs sowie dem Treiben von Charles Manson kreiert.
Anderson selbst hat die Romanadaption während der Produktion seines Films „The Master“ übernommen und die wesentliche Elemente von Pynchons aberwitziger Geschichte bewahrt. Gemeinsam mit dem preisgekrönten Kameramann Robert Elswit („Good Night, and Good Luck.“, „Michael Clayton“), mit dem Anderson seit seinem Debüt zusammenarbeitet, und Produktionsdesigner David Crank („Hannibal“, „Lincoln“) erschuf der Filmemacher ein atmosphärisch dichtes Hippie-Krimi-Drama, das nicht nur die Ära des Film noir wiederaufleben lässt, sondern auch den schrägen Humor von Tarantino- und Coen-Filmen besitzt.
Der historische Hintergrund wird zwar immer wieder kurz angedeutet, aber Anderson hat viel mehr Spaß, die leicht psychedelische Atmosphäre, in der sich sein Protagonist Doc bewegt, so umfassend und perfekt wie möglich auszukleiden. Dazu dient vor allem der coole Soundtrack mit den Kompositionen des Radiohead-Frontmanns Jonny Greenwood und Songs von Sam Cooke, Neil Young, The Association, Can, Les Baxter, The Cascades und The Tornadoes, aber auch die warme Beleuchtung, die die Kulissen in fast verträumte Szenerien verwandeln, in denen Doc umherschwebt.
Der ist übrigens mit Joaquin Phoenix („Gladiator“, „Walk the Line“) großartig besetzt. Wie er mit breiten Koteletten, Afro-Locken und Hippie-Look seine Aufträge zu erledigen versucht, ist wunderbar mit der richtigen Mischung aus lakonischem Witz und ernsthaften Ermittlungs-Ansätzen angelegt. Dabei spielt die eigentliche Handlung schon schnell keine bedeutende Rolle mehr.
Je mehr Aufträge und Figuren dem Spielfeld an der kalifornischen Küste beitreten, desto mehr verliert nicht nur Doc, sondern auch der Zuschauer den Überblick. So kann man sich ganz auf das stimmig inszenierte Ambiente und die skurrilen Figuren konzentrieren, unter denen Josh Brolin („W.“, „True Grit – Vergeltung“) als vermeintlich knallharter Cop und Katherine Waterston („Logan Lucky“, „Alien: Covenant“) als verführerische Femme fatale die bemerkenswertesten Auftritte für sich verbuchen können.
„Inherent Vice“ ist ein typisch sorgfältig inszeniertes Anderson-Bravourstück, das allerdings kaum beim Mainstream-Publikum ankommen dürfte.
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