Parallele Mütter

Der spanische Filmemacher Pedro Almodóvar hat immer wieder die tragende Bedeutung seiner Mutter in seinem Leben thematisiert, besonders deutlich in seinem 1999er Meisterwerk „Alles über meine Mutter“. 22 Jahre später wendet er sich in seinem passenderweise auch 22. Film erneut der Mutterschaft zu und präsentiert Penélope Cruz einmal mehr in einer überzeugenden Rolle. 

Inhalt: 

Die in Madrid alleinlebende Fotografin Janis (Penélope Cruz) macht gerade Aufnahmen vom forensischen Historiker Arturo (Israel Elejalde), als sie ihn in einer Pause um einen persönlichen Gefallen bittet. Nach dem Shooting macht sie ihn auf das sorgfältig dokumentierte Massengrab am Rande ihres Heimatdorfes aufmerksam und fragt ihn, ob er bei der Exhumierung behilflich sein könnte, so dass Janis Gewissheit über das Schicksal ihres Großvaters erhalten kann. 
Zum Leidwesen der Hinterbliebenen, die die von den Faschisten massakrierten Opfer des spanischen Bürgerkriegs ordentlich bestatten möchten, hat der konservative Präsident Rajoy gerade das Budget für die Aufarbeitung der Verbrechen der Franco-Zeit auf Null gekürzt, doch der Archäologe macht Janis Hoffnung, dass seine Stiftung das Projekt übernehmen könnte. Arturo und Janis kommen sich über die Gespräche über die geplante Exhumierung näher und beginnen eine zwanglose Affäre. Janis wird schwanger und will das Kind auch trotz Arturos Einwände bekommen. Bei der Entbindung lernt sie im Krankenhaus die 17-jährige Ana (Milena Smit) kennen, die ebenfalls ohne Partner ein Kind auf die Welt bringt. Anas Kind ist, wie Janis später erfährt, das Ergebnis einer Gruppenvergewaltigung, doch hat sie aus Scham und Angst vor Gericht, Polizei und Presse keine Anzeige erstattet. Ana wohnt noch bei ihrer Mutter (Aitana Sánchez-Gijón), die allerdings die Chance ihres Lebens wahrnimmt und mit ihrer Theatertruppe auf Tournee geht und Ana sich ihrem Schicksal überlässt. Janis nimmt ein Au-pair-Mädchen bei sich auf, das sich um den Haushalt und das Baby kümmert. 
Als Arturo das Baby zu Gesicht bekommt, äußert er seine Zweifel an der Vaterschaft, was Janis zunächst in Rage bringt, doch dann nagen auch an ihr Zweifel. Ein Mutterschaftstest bringt nicht nur Janis‘ Leben durcheinander… 

Kritik: 

Mit „Parallele Mütter“ präsentiert Almodóvar einen überraschend geradlinigen Film, dessen einziger Clou sich recht früh abzeichnet, aber dramaturgisch geschickt erst spät für alle Beteiligten aufgelöst wird. Dabei fungiert die eingangs thematisierte Exhumierung eines Massengrabs aus der Zeit des Franco-Regimes als Klammer der Hauptgeschichte um die zwei Mütter. Damit bleibt sich der Regisseur seiner Maxime treu, mit seinen Filmen auch ein Abbild der spanischen Gesellschaft und ihrer Geschichte zu präsentieren. 
Im Mittelpunkt stehen die ungewöhnliche Beziehung der beiden gleichzeitig zu Müttern gewordenen Frauen, in deren Leben die Männer kaum eine Rolle spielen. Außer Arturo sind ohnehin kaum Männer in „Parallele Mütter“ zu sehen. Es kreist sich eben alles darum, wie alleinlebende und alleinerziehende Frauen ihr Leben organisieren und dabei nützliche Allianzen eingehen und unnötigen Ballast von sich werfen. So trennt sich Janis, die von ihrer Hippie-Mutter nach Janis Joplin benannt worden ist, von Arturo ebenso wie von dem Au-pair-Mädchen, das zu unzuverlässig mit ihrem Baby umgeht, nimmt dafür Ana in ihre Wohnung auf, mit der sie eine intime Beziehung eingeht, und bastelt sich ihre Welt, wie es ihr gerade in den Kram passt. „We should all be feminists“ verkündet sie mit ihrem T-Shirt und macht damit deutlich, dass sie keine Männer zu ihrem Glück braucht. 
Es beginnt sich früh abzuzeichnen, was es mit den Kindern von Janis und Ana wirklich auf sich hat, dann gibt sich Almodóvar viel Mühe damit, den Bund zwischen den Frauen zu thematisieren. Als Ana ihrer lebenserfahrenen Freundin von der Gruppenvergewaltigung erzählt, spielt natürlich die #metoo-Thematik auch eine Rolle. Doch „Parallele Mütter“ hält sich nicht mit feministischen Parolen auf, sondern fokussiert sich ganz auf die empathische Anteilnahme, mit denen die Frauen einander umsorgen. Das trifft nicht nur auf Janis und Ana zu, sondern auch auf Janis‘ Chefin und Freundin Elena (Rossy De Palma) und die Frauen in Janis‘ Heimatdorf. 
Natürlich dürfen auch die schicken Dekors und leuchtenden Farben nicht fehlen, die so typisch für Almodóvars Werke sind. Penélope Cruz brilliert als ebenso einfühlsame wie starke Frau, die ihre Unabhängigkeit liebt, aber lange zaudert, als sie die Wahrheit über ihre Tochter erfährt. Aber auch die Newcomerin Milena Smit liefert eine großartige Performance als junge Frau, die sich ein eigenes Leben aufzubauen versucht.  
Almodóvar ist mit „Parallele Mütter“ kein ganz großes Werk gelungen, doch ein einfühlsames Drama mit überzeugend charakterisierten Figuren, die sich in tadellos kreierten Kulissen bewegen.  

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