White Squall

Ridley Scotts Regie-Karriere wird durch eine sehr wechselhafte Erfolgs- und Qualitätskurve charakterisiert. Neben frühen Meisterwerken wie „Alien“ und „Blade Runner“ sowie dem reifen Drama „Thelma & Louise“ stehen schick inszenierte, aber unausgegorene Filme wie „Der Mann im Hintergrund“ und „Legende“. Nach dem Historien-Epos „1492 – Die Eroberung des Paradieses“ (1992) zum 500-jährigen Jubiläum von Kolumbus‘ Entdeckung Amerikas verschlug es Scott vier Jahre später wieder auf das Meer, um mit „White Squall“ ein auf ebenfalls wahren Begebenheiten beruhendes Drama um ein Schulschiff zu inszenieren, auf dem junge, verwöhnte Männer Disziplin und Teamgeist lernen sollen. 

Inhalt: 

Im Gegensatz zu seinem ambitionierten Bruder, der eine Elite-Universität besuchen wird, weiß Chuck Gieg (Scott Wolf) noch nicht recht, was er mit seinem Leben anfangen soll, und heuert 1960 auf dem Schulschiff „Albatross“ an. Angeleitet von Captain Christopher „Skipper“ Sheldon (Jeff Bridges) und unterstützt von dessen Frau Alice (Caroline Goodall), die neben ihrer Funktion als Bordärztin auch die naturwissenschaftlichen Fächer unterrichtet, sowie dem Englischlehrer McCrea (John Savage), lernen Chuck und seine elf männlichen Mitstreiter, was es heißt, auf hoher, oft ungemütlicher See den Befehlen des Captains Folge zu leisten und aufeinander achtzugeben. Dabei sind die Voraussetzungen für dieses Lern-Abenteuer nicht die besten. 
Gil Martin (Ryan Phillippe) leidet seit dem Tod seines jüngeren Bruder, der sich bei einem Sturz vom Baum das Genick gebrochen hat, unter Höhenangst und wird trotzdem von Sheldon aufgefordert, die Takelage hochzuklettern. Auf der anderen Seite hätte es der lernschwache Dean (Eric Michael Cole) nicht ohne Betrug geschafft, überhaupt für das Projekt angenommen zu werden, während Frank (Jeremy Sisto) über die Stränge schlägt, sich von seinen snobistischen Eltern zu emanzipieren. Zunächst betrinkt er sich, als die übrige Mannschaft mit einer Klasse von dänischen Mädchen an Land feiert, dann verletzt er einen Delfin so schwer, dass der Skipper das Tier erschlagen muss, wozu Frank nicht die Courage aufbringt. Der Captain setzt Frank bei der nächsten Gelegenheit an Land, nachdem Gil bis zuletzt versucht hat, dem ohnehin gestraften Jungen gegenüber Milde walten zu lassen. 
Während die Mannschaft aber allmählich zusammenwächst, sieht sich der Captain mit seinem Schiff und der Crew plötzlich einer sagenumwobenen „weißen Böe“ ausgesetzt, die wie aus dem Nichts aufgetaucht ist und der „Albatross“ gefährlich zusetzt… 

Kritik: 

Ridley Scott hat sich immer wieder – nicht zu Unrecht – den Vorwurf gefallen lassen müssen, Stil über Inhalt zu setzen, was seinen Filmen einen unwiderstehlich faszinierenden Look, aber keine Tiefe verleiht. Das trifft auf „Der Mann im Hintergrund“ ebenso zu wie auf „White Squall“, auch wenn Scott mit Jeff Bridges („Fearless“, „The Big Lebowski“) einen hervorragenden Hauptdarsteller für den Film gewinnen konnte. Allerdings ist Bridges‘ Rolle zu sehr an das Klischee des harten Kerls mit dem weichen Herzen angelegt, um für dramatische Überraschungen sorgen zu können. 
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen aber die zwölf jungen Männer, allesamt gut aussehend und aus wohlhabendem Hause, die auf dem Schulschiff die traditionelle „rite de passage“ durchlaufen, um zu echten Männern zu werden. Scott hat in der Verfilmung des autobiografischen Buches „The Last Voyage of the Albatross“ von Charles Gieg Jr. einmal mehr wunderschöne Bilder gefunden, die von Jeff Ronas ethnisch angehauchten Score kongenial untermalt werden, bringt die nackten Oberkörper der Jungen so auffällig ins Szene, dass ihm eine Nähe zu Leni Riefenstahl attestiert wurde, erzählt aber letztlich nur eine konventionelle Abenteuer-Geschichte, die in einem Gerichtsprozess ihr rührseliges Ende findet. 
Gerade das melodramatische Finale erinnert überdeutlich an Peter Weirs „Dead Poets Society“ (dt. „Der Club der toten Dichter“), weshalb Scotts Film auch ironischerweise als „Floating Poets Society“ bzw. „Dead Sailors Society“ tituliert wurde. Fraglos verfügt Weirs Film über mehr psychologische Tiefe. Jeff Bridges und seine Filmfrau Caroline Goodall („Hook“, „Cliffhanger“) machen unter den Umständen das Beste aus ihren Figuren und harmonieren gut miteinander, John Savage („Die durch die Hölle gehen“, „Der schmale Grat“) kann leider gar keine Akzente setzen. 
Von den Jungdarstellern überzeugt eigentlich nur Scott Wolf, der allerdings – im Gegensatz zu Ryan Phillippe („Studio 54“, „Eiskalte Engel“) – kein Kapital daraus für seine weitere Karriere schlagen konnte.  

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