Ken Park
1995 schockierte und spaltete der Fotograf Larry Clark
mit seinem Regiedebüt „Kids“ Publikum und Kritik. Was die einen als unnötig
freizügigen, voyeuristischen Skandalfilm betrachteten, hielten die anderen für ein
moralisierendes Meisterstück, das ein authentisches Abbild der Lebenswirklichkeit
amerikanischer Teenager in der Großstadt präsentierte. Nachdem Clark mit
„Bully“ (2001) noch einen Schritt weiter gegangen war, durfte man
gespannt sein, wie der Abschluss seiner Teenager-Trilogie wohl ausfallen würde.
Tatsächlich erweist sich „Ken Park“ (2002) als das Werk, das Clark
bereits als Debüt umsetzen wollte, aber – schon allein in finanzieller Hinsicht
– noch nicht umsetzen konnte.
Inhalt:
Mit Kopfhörern in den Ohren saust ein rothaariger Teenager (Adam
Chubbuck) auf seinem Skateboard auf dem Gehweg durch Visalia, einem
trostlosen Kaff irgendwo zwischen Fresno und Bakersfield in Kalifornien. Er
dreht einige Runden durch den Skatepark, lässt sich mitten auf dem Platz mit seinem
Rucksack nieder, holt erst eine Videokamera heraus, die er auf seinen Kopf
ausrichtet, dann eine Pistole und schießt sich in die Kamera lächelnd in den
Kopf. Als die Kamera in der Totalen die um den toten Jungen versammelten Skater
einfängt, erfahren wir durch einen Voiceover eines anderen Teenagers – Shawn (James
Bullard) -, dass es sich bei dem toten Jungen um Ken Park handelt, den Shawn
immer rückwärts ausgesprochen hat – Krap Nek, wie Arschgesicht oder Kackbirne. Wie
zerrüttet das Dasein nicht nur der Teenager in Visalia ist, zeigen die
nachfolgenden, parallel erzählten Handlungsstränge.
Shawn schläft mit der Mutter (Maeve Quinlan) seiner
Freundin Hannah (Shanie Calahan). Beide haben moralisch keine Probleme,
ihre Partner zu betrügen. Shawn zählt Hannahs Mutter nach einem ihrer
Zusammentreffen sogar, welche Vorzüge sie gegenüber ihrer Tochter besäße.
Der Choleriker Tate (James Ransone) lebt zusammen mit
seinen von ihm gehassten Großeltern (Harrison Young, Patricia Place) in
seiner eigenen Welt, aus der er nicht ausbrechen kann. Da er keine Freundin hat,
masturbiert er zu Übertragungen vom Damen-Tennis mit einer Schlinge um den Hals,
die er zur Erhöhung der sexuellen Stimulation langsam enger zieht.
Der sensible und schmächtige Claude (Stephen Jasso)
leidet unter dem Hass seines stets an seinen Muskeln arbeitenden Alkoholiker-Vaters
(Wade Andrew Williams) auf den seiner Meinung nach verweichlichten Sohn.
Seine Mutter (Amanda Plummer) ist hochschwanger und keine Hilfe bei
seiner Selbstbehauptung. Die Musterschülerin Peaches (Tiffany Limos) wiederum,
die ihrer verstorbenen Mutter verblüffend ähnlichsieht, leidet unter ihrem tiefreligiösen
Vater (Julio Oscar Mechoso). Als er sie mit ihrem Freund Curtis (Mike
Apaletegui) bei masochistischen Sex-Spielen im Bett erwischt, dreht er
durch...
Kritik:
Konzentrierte sich Larry Clark bei „Kids“ und „Bully“
noch ganz auf die Lebenswelt orientierungsloser, seelisch vereinsamter, mit
Drogen und Sex aus dem Alltag ausbrechender Jugendlicher, beziehen er und sein
Co-Regisseur Ed Lachman (der renommierte Kameramann arbeitete bereits
mit Wim Wenders, Volker Schlöndorff, Dennis Hopper, Paul Schrader, Steven
Soderbergh und Todd Haynes zusammen) diesmal die Erwachsenen stärker
mit ein. Das Drehbuch von Harmony Korine („Spring Breakers“, „Beach Bum“),
der bereits das Skript zu „Kids“ geschrieben hatte, macht deutlich, dass
die Erwachsenen ebenso orientierungslos und innerlich ausgehöhlt dahintreiben
wie die Teenager, mit denen sie zusammenleben und denen sie eigentlich ein
gutes Vorbild sein sollten.
Apathie und Gewalt sorgen in den seelenlosen
Einfamilienhäusern für eine Atmosphäre, in der es früher oder später zu
Katastrophen kommen muss. Die Sexszenen mögen hier noch expliziter ausgefallen
sein als in Clarks vorangegangenen Filmen, aber sie sind hier nicht nur
Ausdruck emotionaler Kicks, die die Leere der Teenager ausfüllen sollen. Gerade
wenn die parallelen Handlungsstränge zum Schluss zusammengeführt werden und Shawn,
Claude und Peaches zu dritt zärtliche Stunden miteinander verbringen und über
ihre Träume sprechen, wird deutlich, dass sie einen eigenen Weg gefunden haben,
um aus der niederdrückenden Welt um sie herum auszubrechen.








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