Ohne Schuld

Es ist ein Morgen wie jeder andere. Der Lehrer Julien (Vincent Lindon) füttert seinen kleinen Sohn Oscar, während sich seine hübsche Frau Lisa (Diane Kruger) noch im Bad ihre morgendliche Dosis Insulin spritzt und sich auf die kommende Redaktionssitzung vorbereitet. Doch dann dringt die Polizei in die Wohnung ein und nimmt Lisa wegen dringenden Mordverdachts fest. 
Lisas Chefin, mit der sie sich kürzlich gestritten hatte, ist neben Lisas Auto mit einem Feuerlöscher erschlagen worden. Da Lisa sowohl den Feuerlöscher angefasst hatte als auch versuchte, das Blut des Opfers von ihrem Mantel zu waschen, sind die Beweise so erdrückend, dass Lisa für einen Mord, den sie nicht begangen hat, für 20 Jahre ins Gefängnis muss. 
Lisa droht an dieser Ungerechtigkeit zu zerbrechen und versucht, sich das Leben zu nehmen. Um seine lebensmüde Frau zu retten, greift Julien zu drastischen Maßnahmen. Er sucht einen Mann auf, der siebenmal aus dem Gefängnis ausgebrochen war und in einem Roman sein Leben auf der Flucht beschrieben hat. Von ihm erfährt Julien, was man bei einem Ausbruch und das Leben danach alles beachten muss. Systematisch verfolgt Julien den Plan, seine Frau aus dem Gefängnis zu befreien und mit seiner Familie im Ausland ein neues Leben zu beginnen. Doch dann erfährt er, dass Lisa in drei Tagen in ein anderes Gefängnis verlegt werden soll. Die Zeit läuft ihm davon. 
Der hierzulande noch völlig unbekannte französische Drehbuchautor und Regisseur Fred Cavayé schuf mit „Pour Elle“ (so der Originaltitel) ein Justizdrama und Gefängnisthriller der besonderen Art. Nach dem Mord an der Chefredakteurin geht es ihm überhaupt nicht darum, Motiv und Täterin zu entlarven. Schon früh wird der Zuschauer aufgeklärt, dass Lisa jedenfalls nicht die Täterin ist, sondern eine andere Frau, die Lisa sogar im Parkhaus angerempelt hatte. Doch die Ermittlungen spielen in dem Film keine Rolle. Schließlich scheint Lisas Schuld eindeutig bewiesen. Stattdessen rückt das familiäre Schicksal der jungen Familie in den Fokus. 
Diane Kruger spielt die unschuldig Inhaftierte glaubhaft und überzeugt in der Darstellung einer verzweifelten Mutter, die nicht bei ihrer Familie sein kann und deshalb keinen Sinn mehr in ihrem Leben sieht. Trotz der erdrückenden Beweislage hält ihr Mann standhaft zu ihr und überwindet jegliche moralischen Grenzen, um mit allen Mitteln wieder ein glückliches Leben mit seiner Familie zu führen. Wie zerbrechlich dieses Gefüge ist, wird vor allem in der Entfremdung Oscars von ihrer Mutter deutlich, die irgendwann desillusioniert Julien auffordert, Oscar nicht mehr mit ins Gefängnis zu nehmen. 
Vor allem Vincent Lindon glänzt in der Rolle des liebenden Mannes und Vaters, der alles dafür tut, sein Familienglück zurückzubekommen und dafür in Kauf nimmt, selbst zum Killer zu werden. Gerade die unterkühlt-blassen Bilder im Gefängnis betonen die Trostlosigkeit des Justizirrtums, die Julien zu dessen drastischen Korrektur zwingt. Hans Zimmers Schüler Klaus Badelt („Equilibrium“, „Rescue Dawn“) komponierte dazu einen teils gefühlvollen, teils rhythmischen elektronischen Score, der die Spannung des Films entsprechend vorantreibt.  

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