A History of Violence

Als der kanadische Filmemacher David Cronenberg 1975 mit seinem Science-Fiction-Horror-Film „Parasiten-Mörder“ erstmals in einer größeren Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machte, erwarb er sich mit seinen nachfolgenden Werken „Rabid – Der brüllende Tod“ (1977), „Die Brut“ (1979), „Scanners – Ihre Gedanken können töten“ (1981) und „Videodrome“ (1983) die Spitznamen „Baron of Blood“ und „King of Venereal Horror“, da er sich auf extreme Weise mit der Transformation und offen zur Schau gestellten Zerstörung menschlicher Körper vor allem durch den Einfluss moderner Technologie und Wissenschaft beschäftigte. In seinem 2005 inszenierten Drama „Spider“ verzichtete Cronenberg auf jegliche Art von Splatter-Elementen und begann, sich ganz auf die psychischen Deformationen seines Protagonisten zu konzentrieren. Mit seiner Graphic-Novel-Adaption von „A History of Violence“ setzte der Kanadier 2007 diesen Weg fort – auch wenn das Thema Gewalt wieder stärker in den Fokus gerückt wurde. 

Inhalt: 

Mit seiner Frau, der Anwältin Edie (Maria Bello), und seinen beiden Kindern Jack (Ashton Holmes) und Sarah (Heidi Hayes) lebt Tom Tall (Viggo Mortensen) glücklich und zufrieden in der Kleinstadt Millbrook, Indiana, wo er einen Coffeeshop betreibt. Dort bekommt er eines Abends jedoch Besuch von zwei gesuchten Mördern, die ohne ersichtlichen Anlass eine seiner Angestellten mit der Waffe bedrohen. Bevor die Situation eskaliert, schaltet Tom die beiden Soziopathen blitzschnell aus, was den zurückhaltenden Tom nicht nur als Held dastehen lässt und ein enormes Presseecho auslöst, sondern auch alte Bekannte auf den Plan ruft, die Tom lieber nie in seinem Leben wiedergesehen hätte. Denn kurz nach den Jubelarien in der Presse wird Tom von dem im Gesicht entstellten Anzugträger Carl Fogarty (Ed Harris) aufgesucht, der in Edies Gegenwart behauptet, dass er in Tom einen Mann namens Joey Cusack wiedererkennen würde, der einst in der Unterwelt von Philadelphia aktiv gewesen sei. Natürlich leugnet Tom diesen Zusammenhang, und auch Edie hat keinen Zweifel, dass es sich um eine Verwechslung handeln muss. 
Doch nicht nur der örtliche Sheriff Sam Carney (Peter MacNeill) beginnt, Zweifel an Toms Geschichte zu entwickeln, auch Edie macht sich zunehmend Sorgen, dass ihr Mann nicht der ist, den er vorgibt zu sein. Als Fogarty und seine Leute Jack in ihre Gewalt bringen, gerät die Situation schließlich ganz außer Kontrolle, und Tom sieht sich gezwungen, mit seiner Vergangenheit aufzuräumen … 

Kritik: 

Wenn David Cronenberg nicht selbst das Drehbuch zu seinen Filmen schreibt, greift er gern auf interessante literarische Vorlagen zurück. So verfilmte er 1983 den Stephen-King-Bestseller „Dead Zone“, 1991 den als unverfilmbar gelten Roman „Naked Lunch“ von William S. Burroughs, 1993 das Bühnenstück „M. Butterfly“ von David Henry Hwang und 2003 mit „Spider“ den gleichnamigen Roman von Patrick McGrath. „A History of Violence“ basiert wiederum auf der 1997 veröffentlichten Graphic Novel von John Wagner und Vince Locke
Das Gewalt-Thema inszeniert Cronenberg auf weitgehend lapidare, behäbige Art. Wenn zu Beginn die beiden Killer noch etwas verschlafen in ihrem Motel auschecken, deutet in dieser langen Eingangssequenz zunächst nichts darauf hin, dass Leland (Stephen McHattie) das Personal hinter dem Tresen lautlos exekutiert hat. Erst als sein Partner Billy (Greg Bryk) einen Kanister mit Wasser auffüllt, geht er unbeirrt an den Toten vorbei, füllte den Kanister auf und erschießt schließlich ein kleines Mädchen, um keine Zeugen zu hinterlassen. Insofern ahnt der Zuschauer, was auf Tom Stall zukommt, als diese beiden skrupellosen Killer seinen Coffeeshop aufsuchen. Zwar beginnt auch hier die Situation schnell zu eskalieren, aber die Wendung, mit der Tom blitzschnell mit einer Kaffeekanne Leland niederstreckt und ihm seine Pistole entreißt, um damit ebenso akkurat beide Killer zu töten, hat Cronenberg meisterhaft inszeniert. 
Die Technik, die an sich ruhig erzählte Handlung plötzlich in einer Gewaltexplosion zu durchbrechen, verleiht den entsprechenden Szenen noch mehr Gewicht. Das beschränkt sich nicht nur auf die Begegnungen zwischen Tom und den Gangstern aus Philadelphia, sondern greift auch in Toms Familie um sich. Toms fast erwachsener, an sich konfliktscheuer und zurückhaltender Sohn Jack ist so von dem Heldentum seines Vaters fasziniert, dass er auch in der Schule sich gegen die Typen zur Wehr setzt, die ihm schon das ganze Jahr lang zugesetzt haben, und Edie und Tom haben mitten ihrer Beziehungskrise so heftigen Sex auf der Treppe, dass es an Vergewaltigung grenzt. 
Cronenberg und sein langjähriger Kameramann Peter Suschitzky finden hier immer wieder drastische Bilder von spritzendem Blut, zerschossenen Schädeln und zertrümmerten Nasen, doch interessanter ist einmal mehr, wie der Film die schizophrene Natur seines Protagonisten thematisiert, die große Kluft zwischen dem fürsorglichen Familienvater und dem gnadenlosen Profikiller. Das wird besonders bei dem furiosen Finale deutlich, wenn Tom nach seiner Mission wieder nach Hause zurückkehrt. 
Dass das kraftvolle Drama über Gewalt und ihre Rolle in der amerikanischen Geschichte so gut funktioniert, ist auch den Darstellern zu verdanken, vor allem den Hauptdarstellern Viggo Mortensen („Der Herr der Ringe“-Trilogie, „Hidalgo“) und Maria Bello („The Cooler“, „Coyote Ugly“), aber auch den famosen Nebendarstellern Ed Harris und William Hurt. Mit diesem Film hat der intellektuell bewanderte und präzise Handwerker Cronenberg endgültig bewiesen, dass er auch im Mainstream-Kino bestehen kann.

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