Crash

Der kanadische Autorenfilmer David Cronenberg hat von früh an in seiner Karriere die Verbindung von Mensch und moderner Technologie bis zur Symbiose nachgespürt und sich ab Mitte der 1980er Jahre einigen schwer zu verfilmenden Romanvorlagen gewidmet, beginnend mit Stephen Kings Bestseller „Dead Zone“ (1983), dem auf einer Kurzgeschichte von George Langelaan basierenden Remake von „Die Fliege“ (1986) bis zu William S. Burroughs' halluzinierenden Beat-Klassiker „Naked Lunch“ (1991). Ein weiteres drastisches Werk ließ Cronenberg 1996 mit James G. Ballards „Crash“ folgen, in der die moderne Beziehung des Menschen zum Automobil pornographische, besessene Züge annimmt. 

Inhalt: 

Da sich der Filmproduzent James Ballard (James Spader) und seine attraktive Frau Catherine (Deborah Kara Unger) längst einander entfremdet haben, leben sie ihre außerehelichen Affären offen aus und erzählen einander detailliert von ihren Erfahrungen, um ihrem eigenen Sexualleben mehr Würze zu verleihen. Als James eines Tages einen Autounfall verursacht, wird der Beifahrer des mit ihm frontal zusammengestoßenen Fahrzeugs in sein eigenes geschleudert und dabei getötet, die Fahrerin bleibt eingeklemmt in dem Wagen und deckt ihre beim Unfall entblößte Brust mit ihrem Mantel zu. Sowohl James als auch die Frau, Dr. Helen Remington (Holly Hunter), werden in das nahe gelegene Flughafen-Krankenhaus eingeliefert, wo Ballard mit Vaughan (Elias Koteas) einen Mann kennenlernt, der sich völlig fasziniert von Ballards umfassenden Verletzungen zeigt und Fotografien von ähnlichen Unfällen bei sich trägt. 
An Ballards Unfallfahrzeug lernen sich Ballard und die Frau näher kennen und beginnen schließlich eine Affäre, die sich aus der gemeinsamen Unfallerfahrung speist. Schließlich besuchen sie eine Vorstellung von Vaughan, wie er mit zwei Stuntfahrern den tödlichen Unfall – mit originalgetreuen Fahrzeugen - von James Dean nachstellt. Als das Happening nach dem inszenierten Crash von Beamten der Verkehrsbehörde aufgelöst wird, flüchten Helen, James, Vaughn und der angeschlagene Stuntman Seagrave durch den Wald zu Vaughans Zuhause, wo sich weitere Unfall-Fetischisten herumtreiben. Gemeinsam schauen sie sich Videos von Crashtests an und treibe sich an Unfallorten herum, wo Vaughan Aufnahmen von den Fahrzeugen, Verletzten und Toten macht, die ihm als Inspiration für seine nächsten Projekte dienen. Doch bei dem Versuch, immer stärkere Kicks für sexuelle Abenteuer zu bekommen, gehen Vaughan und Ballard immer größere Risiken ein … 

Kritik: 

So wie James G. Ballard 1973 in seinem skandalumwitterten Roman „Crash“ die nahezu pornographische Beziehung des Menschen zu seinen Autos detailverliebt schilderte und mit expliziten Sex- und Gewaltdarstellungen illustrierte, setzt auch Cronenberg in seiner nah an der literarischen Vorlage inszenierten Adaption auf eine verstörende Mischung aus unverblümt offenen und teilweise abnormen Sex-Szenen mit krassen Autounfällen, die er zu fetischisierten Beziehungskarussells zusammenfügt, bei dem nicht die menschlichen Partner die sexuelle Erregung generieren, sondern die später zunehmend heftiger inszenierten Unfallsituationen. Da ist es dann auch egal, wer mit wem Sex im Auto hat und welchen Geschlechts der Partner angehört. Geht es Vaughan zunächst um die Umformung des menschlichen Körpers durch die moderne Technologie, konzentriert er sich schließlich auf die Negierung der destruktiven Bedeutung von Unfällen. Statt einen Unfall als zerstörendes Ereignis zu betrachten, empfindet er den Zusammenstoß bei einem Autounfall als befruchtend, indem sexuelle Energie freigesetzt wird, die sich auf die Beteiligten überträgt. Damit sind wir natürlich ganz im Cronenberg-Universum unterwegs, wo es schon immer mehr oder weniger um die Auswirkung der modernen Technologie und Wissenschaft auf den menschlichen Körper ging – bis zur symbiotischen Transformation. 
In „Crash“ präsentiert sich diese Transformation vor allem durch die gegenseitige Beschädigung von Fahrzeug und Mensch – hier der Blech- oder auch Totalschaden, dort die versehrten Leiber, zusammengehalten durch Bandagen und Gerätschaften wie dem Fixateur externe, das Ballards Bein nach seinem ersten Unfall zusammenhielt. Sex ist hier nur in Zusammenhang mit dem aus Unfällen gewonnenen Kick möglich, die zwischenmenschlichen Beziehungen erweisen sich als bemerkenswert emotionslos. Wie leer sich die Protagonisten fühlen, wird schließlich in den immer stärkeren Exzessen deutlich, die die Beteiligten heraufbeschwören, um sich überhaupt aufeinander einlassen zu können, und dann auch nur auf rein sexuelle Weise, wobei extreme Narben und Verkrüppelungen wie bei Gabrielle (Rosanna Arquette) besonders stimulierend wirken. 
Cronenberg überspitzt mit „Crash“ den verzweifelten Konsumzwang des modernen Menschen, der sich auch auf die emotionale Stimulation mit immer aufregenderen Erlebnissen ausdehnt. In dieser Hinsicht sind Ballards Roman und Cronenbergs Film so aktuell wie nie zuvor. 

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