Ein Mann wird gejagt

Bevor Arthur Penn 1967 mit der Gangster-Ballade „Bonnie und Clyde“ Filmgeschichte schrieb, demonstrierte er bereits mit „Ein Mann wird gejagt“ (1966), seinem vierten Regiewerk nach „Einer muss dran glauben“, „Unter anderer Sonne“ und „Mickey One“, dass er ein Meister seines Fachs ist. Auch wenn das prominent mit Marlon Brando, Robert Duvall, Angie Dickinson, Jane Fonda und Robert Redford besetzte Kriminal- und Gesellschaftsdrama durch Produzent Sam Spiegel ohne Rücksprache mit den Beteiligten arg zerschnitten wurde, wird die von Rassenhass geprägte gewalttätige Atmosphäre in einer texanischen Kleinstadt doch deutlich sichtbar. 

Inhalt:

Auch wenn er nur noch wenige Monate abzusitzen hat, bricht der Kleinganove Bubber (Robert Redford) zusammen mit einem Schwerverbrecher aus, um nach Hause zu seiner Frau Anna (Jane Fonda) zurückzukehren. Während der Flucht erschlägt Bubbers Fluchtgeselle den Fahrer eines Wagens und setzt seinen Weg ohne Bubber fort, der nun nicht nur wegen des Ausbruchs, sondern auch wegen Mordes gesucht wird, den er nicht begangen hat. Währenddessen wird Sheriff Calder (Marlon Brando) in Tarl über Bubbers Flucht verständigt, was sich in der Heimatstadt des Häftlings schnell herumspricht und einigen Einwohnern große Sorgen bereitet. Es ist der Abend des 60. Geburtstags des mächtigen Ölbarons Val Rogers (E.G. Marshall), der eine große Party veranstaltet, zu der zwar Calder und seine Frau Ruby (Angie Dickinson) eingeladen sind, aber nicht Rogers‘ führender Direktor Edwin Stewart (Robert Duvall) – sehr zum Bedauern von Edwins Frau Emily (Janice Rule), die eine Affäre mit Edwins Kollegen Damon Fuller (Richard Bradford) unterhält. 
Edwin ist deshalb über Bubbers Ausbruch so besorgt, weil er als 16-Jähriger fünfzig Dollar aus einem Geschäft gestohlen hatte, was allerdings dem gleichaltrigen Bubber angehängt worden ist, weshalb Edwin Angst hat, dass Bubber sich nun an ihm rächen will. Aber auch der Sohn des Ölbarons, Jason Rogers (James Fox), ist beunruhigt, unterhält er doch eine Affäre mit Bubbers Frau Anna, die ihren Mann aber noch liebt und ihrem Rogers vorwirft, zuerst eine andere Frau geheiratet zu haben. Für Sheriff Calder beginnt ein schwieriges Unterfangen. Für die meisten in der Stadt ist er nur ein Handlanger des Ölbarons, der für seinen Gönner ein anderes Rechtsempfinden aufbringt als für die übrigen Bürger der Stadt. 
Als schließlich bekannt wird, wo sich Bubber aufhält, hat Calder nicht nur alle Hände voll zu tun, den Mob aufzuhalten, der Bubber an den Kragen will, sondern auch sein eigenes Leben gegen die Männer zu verteidigen, die mit Calders Ausübung des Sheriff-Postens alles andere als zufrieden sind … 

Kritik: 

Arthur Penn inszenierte „Ein Mann wird gejagt“ nach dem Drehbuch von Lillian Hellman („Infam“, „Die kleinen Füchse“), die wiederum den Roman und das Theaterstück „The Chase“ von Horton Foote adaptierte. Dabei entlarvt er schonungslos die Bigotterie, den Rassenhass und Gewaltbereitschaft in einer texanischen Kleinstadt, in der seit jeher munter gestohlen, betrogen, geschlagen und geschossen wird. In diesem rauen Klima hat Sheriff Calder alle Mühe, dem Gesetz seine Geltung zu verschaffen, wird er doch selbst als korrupt betrachtet. Tatsächlich lässt der mächtige Val Rogers nichts unversucht, Calders Gunst zu gewinnen, kauft seiner Frau ein eintausend Dollar teures Kleid und will ihm sogar ein Stück Land schenken, das sich Calder zwar wünscht, aber noch nicht aus eigener Tasche bezahlen kann. Der allgegenwärtige Rassenhass kommt allerdings nur in wenigen Szenen zum Ausdruck, so als Damon Fuller und seine Freunde einen Schwarzen beim Spaziergang mit der Pistole bedrohen oder als ein schwarzer Freund von Bubber dabei erwischt wird, wie dieser in Annas Apartment über der Bar ihres Vaters im Auftrag von Bubber eine Nachricht überbringen soll. Besonders auffällig ist allerdings die Art und Weise, wie die angeblich so gottesfürchtigen Bürger der Stadt einander schamlos betrügen. Jason Rogers spricht mit seiner Frau Elizabeth beispielsweise ganz offen, wie sie die Zeit nach der Geburtsparty seines Vaters mit ihren jeweiligen Geliebten verbringen. 
Die Spannung des Films wird durch die stets unterschwellige Gewaltbereitschaft erzeugt, etwa bei der Party, die Edwin Stewart und seine Frau für die Freunde geben, die nicht von Rogers eingeladen wurden. Bubbers Ausbruch dient letztlich als Katalysator dafür, dass innerhalb eines Tages die fragile Wohlanständigkeit in Tarl zum Teufel geht und sich der Hass immer impulsiver seinen Weg durch die Gesellschaft bahnt. Am Ende verlässt Calder völlig desillusioniert mit seiner Frau die Stadt und lässt die Trümmer einer außer Kontrolle geratenen Nacht enttäuscht hinter sich. 
Marlon Brando mochte sich mit seiner ungewohnten Rolle als Gesetzeshüter zwar nicht anfreunden, überzeugt aber als Sheriff zwischen allen Stühlen, der letztlich nur seiner Frau vertrauen kann. Robert Redford ist hier in einer seiner frühesten Kinorollen zu sehen, bevor er mit seiner Filmpartnerin Jane Fonda ein Jahr darauf in „Barfuß im Park“ erneut vor der Kamera stand. Überhaupt sind die Frauenrollen in „Ein Mann wird gejagt“ stark gezeichnet. Neben Jane Fonda, die gerade gegenüber ihrem langjährigen Liebhaber klar ihre Meinung vertritt, überzeugen auch Angie Dickinson („Rio Bravo“, „Dressed to Kill“) als selbstbewusste Sheriffsgattin und Janice Rule („3 Frauen“, „Vermisst“) als temperamentvolle Aufrührerin in ihren Rollen.  

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