eXistenZ

Die Auswirkung moderner Technologie auf den menschlichen Körper und Geist hat schon immer eine tragende Rolle in dem Oeuvre des kanadischen Autorenfilmers David Cronenberg gespielt. Nachdem er sich in seinen Frühwerken „Shivers“ und „Rabid“ eher auf den visuellen Effekt des von ihm mitgeprägten Subgenres des Body Horros fokussierte, wandte sich seine Aufmerksamkeit in den 1990er Jahren vermehrt den psychischen Komponenten zu, wie er sie meisterhaft bereits in „Videodrome“ (1983), dann aber auch in „Die Unzertrennlichen“ und „Crash“ zum Thema machte. An „Videodrome“ anschließend, inszenierte Cronenberg 1999 mit „eXistenZ“ einen Science-Fiction-Thriller, der sich auf extreme Weise mit der Welt der Videospiele und damit zusammenhängend mit der Wahrnehmung von Realität auseinandersetzt. 

Inhalt: 

Als das Softwareunternehmen Antenna Research ausgewählten Pressevertretern und Spiele-Freaks das neue Computer-Spiel „eXistenZ“ vorstellen will, übernimmt die prominente Spieledesignerin Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) die Präsentation und lädt 12 der Besucher dazu ein, mit ihr in die virtuelle Welt des völlig neuartigen Spielsystems einzutauchen. Dazu sind die im Halbkreis sitzenden Spieler durch eine gummiartige, nachgiebige Konsole mit der virtuellen Welt von „eXistenZ“ verbunden, wobei die jeweiligen Konsolen wiederum durch eine Art Nabelschnur mit dem Bioport verknüpft sind, die im unteren Teil der Wirbelsäule der Spieler angebracht sind. Doch bevor das Spiel beginnt, springt einer der Besucher aus der ersten Reihe auf und feuert aus einer organisch aussehenden Waffe einen Schuss auf Allegra ab. Der Attentäter wird von Sicherheitskräften niedergeschossen, Allegra gelingt mit dem PR-Praktikanten Ted Pikul (Jude Law) die Flucht. Nachdem er ihr in einem Motelzimmer die vermeintliche Kugel, die sich als menschlicher Zahn entpuppt, aus ihrer Schulter entfernt hat, stellt Allegra fest, dass ihre Spielekonsole defekt ist und nur dadurch repariert werden kann, indem das in ihr gespeicherte Spiel wieder aktiv gespielt wird, wozu es allerdings zwei Spieler benötigt. Da Allegra befürchtet, dass das Attentat auf sie nicht unbedingt der Konkurrenz geschuldet ist, sondern auch aus eigenen Reihen geplant worden ist, vertraut sie derzeit nur ihrem Leibwächter. 
Um ihn auch mit einem Bioport zu versehen, suchen sie den zwielichtigen Tankstellenbesitzer Gas (Willem Dafoe) auf, der Ted unter fragwürdigen hygienischen Bedingungen zwar einen Bioport einsetzt, doch ist Ted nach dem Eingriff zunächst unterhalb der Hüfte gelähmt. Gas nutzt Teds Manko, um das auf Allegra ausgesetzte Kopfgeld zu kassieren, wird aber selbst in letzter Sekunde von Ted erschossen. Die weitere Flucht führt Allegra und Ted zu Allegras altem Freund Kiri Vinokur (Ian Holm), der Allegra in Aussicht stellt, ihre Konsole reparieren zu können. 
Als Allegra und Ted schließlich in die Welt von „eXistenZ“ eintauchen, ist vor allem Ted überrascht, wie real sich die virtuelle Welt anfühlt, in der er genauso aussieht wie in der realen. Durch einen weiteren Bioport, der über den vorhandenen Bioport komplett vom Körper absorbiert wird, gelangen Ted und Allegra schließlich in eine Amphibienaufzuchtstation, wo sie allerdings ebenfalls bald gejagt werden. Die Grenzen zwischen Realität und virtueller Realität verschmelzen dabei zunehmend … 

Kritik: 

Wie schon in „Videodrome“ setzt sich David Cronenberg in „eXistenZ“ mit der wachsenden Bedeutung auseinander, die die faszinierende Welt der Medien für ihre Nutzer besitzen. So wie in „Videodrome“ die Welt des Fernsehens die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen ließen und der Protagonist über eine Öffnung in seinem Bauch für die Videokassetten verfügte, findet in „eXistenZ“ auch in organischer Hinsicht eine untrennbare Verbindung zwischen Mensch und Medienplayer statt, hier sogar noch eindrucksvoller, da der Bioport direkt mit dem menschlichen Nervensystem verbunden ist und das Kabel zwischen Bioport und Spielkonsole wie eine Nabelschnur aussieht. Es sind wieder allzu vertraute Motive aus dem Cronenberg-Universum, die der Zuschauer auf faszinierende Weise in „eXistenZ“ wiederentdecken darf, wobei die virtuelle Realität der Spielewelten eine ganz neue Ebene der Wahrnehmung von Realität betritt. So wie Ted nämlich das dringende Bedürfnis verspürt, das gerade erst begonnene Spiel zu unterbrechen, weil es sich so echt anfühlt, er Angst um seinen schlafenden „echten“ Körper hat und nicht zwischen der Realität und der virtuellen Realität unterscheiden kann, verliert nämlich auch der Zuschauer schnell das Gefühl für die Realitäten, in denen sich die Protagonisten bewegen. 
Dabei bedient sich Cronenberg einmal mehr außergewöhnlicher Bilder, die auch bei den technologischen Spielzeugen immer eine organische Assoziation hervorrufen, von den fleischähnlichen Konsolen über die Kabel in Form einer Nabelschnur und den auch sexuell anmutenden Verbindungen von Kabel und Bioport. Sobald Cronenberg die virtuellen Welten von „eXistenZ“ betritt, überrascht er mit skurrilen Ideen wie der Aufzuchtfarm von Amphibien. Die optischen Schauwerte und der ausgefeilte Plot stehen hier eindeutig im Vordergrund, die durchaus prominenten Schauspieler sind ganz in ihren rein funktionalen Rollen gefangen, wobei wenigstens Ian Holm („Naked Lunch“, „Der Herr der Ringe“-Trilogie) und Willem Dafoe („Antichrist“, „Der Leuchtturm“) in ihren bemerkenswerten Nebenrollen punkten können. Leider entwickelte sich der Film, der im selben Jahr wie der Blockbuster „Matrix“ anlief, an den Kinokassen zum Flop und spielte nur einen Bruchteil seiner umgerechnet 21 Millionen US-Dollar Produktionskosten ein. 

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