The Irishman

Martin Scorsese hat mit Meisterwerken wie „GoodFellas“, „Casino“, „Gangs of New York“ und zuletzt „Departed: Unter Feinden“ dem Genre des Gangsterfilms fraglos seinen unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Auch wenn es zum Thema Mafia alles gesagt und gezeigt worden zu sein scheint, hat es den Filmemacher aber schon seit Jahren in den Fingern gejuckt, Charles Brandts Bestseller „I Heard You Paint Houses“ über den irischen Mafia-Killer Frank Sheeran zu verfilmen, doch stieß er mit dem geplanten Mammutprojekt mit dem Titel „The Irishman“ auf kein Interesse bei den großen Hollywood-Studios. Dass schließlich der Streaming-Dienst Netflix das Projekt finanzierte, sagt viel aus über den Einfluss, den Amazon oder Netflix mit ihren eigenen Filmproduktionen mittlerweile in dem Filmbusiness ausüben. Zwar verlangt das dreieinhalbstündige Mafiaepos einiges an Sitzfleisch vom Publikum ab, dafür wird es mit außergewöhnlichen Darstellerleistungen der Top-Stars Al Pacino, Robert De Niro und Joe Pesci belohnt. 

Inhalt: 

Nach der Rückkehr aus Italien, wo er im Zweiten Weltkrieg unter anderem in Sizilien stationiert war, arbeitete der irischstämmige Frank Sheeran (Robert DeNiro) den LKW einer Fleischerei. Um sein Gehalt etwas aufzubessern, führt Frank regelmäßig illegal einen Teil seiner Ladung an die Mafia ab, bis er eines Tages mit einem komplett leeren Laster am Zielort eintrifft und des Diebstahls angeklagt wird. Sein Anwalt William „Bill“ Bufalino (Ray Romano) boxt ihn jedoch aus der Sache aus und hält seinen Mandanten für so integer, dass er ihn seinem Cousin Rosario „Russell“ Alberto Bufalino (Joe Pesci) vorstellt, dessen Bekanntschaft Frank bereits nach einer Autopanne gemacht hatte, ohne zu erfahren, mit wem er es zu tun bekam. Mit kleineren Aufträgen, bei denen er auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, macht sich Frank allmählich einen Namen innerhalb der Mafia im Nordosten von Philadelphia und wird schließlich mit dem Teamsters-Gewerkschaftsführer James Riddle „Jimmy“ Hoffa (Al Pacino) bekannt gemacht, für den er den Leibwächter macht. 
Doch der mächtige Hoffa bekommt es schließlich mit dem aufstrebenden Teamsters-Mitglied Anthony „Tony Pro“ Provenzano (Stephen Graham) zu tun, der auch noch der Genovese-Mafiafamilie aus New York City angehört. Als Robert F. Kennedy in seiner Funktion als Justizminister einen juristischen Feldzug gegen die Unterwanderung der Gewerkschaften durch die Mafia unternimmt, wird Hoffa zu einer Haftstrafe verurteilt, wobei er im Gefängnis Gesellschaft von Tony Pro bekommt. 
Hoffa wird jedoch 1971 von Nixon unter der Auflage begnadigt, sich bis 1980 nicht mehr an Teamsters-Aktivitäten zu beteiligen, doch zieht es Hoffa natürlich wieder zurück an seine frühere Machtposition – sehr zum Missfallen von Russell und anderen hochrangigen Mitgliedern der anderen Mafia-Clans. Frank versucht vergeblich, auf Hoffa einzuwirken, und muss letztlich selbst eine Entscheidung treffen, auf welcher Seite er stehen will … 

Kritik:

Es ist mal wieder ein Mafia-Epos der besonderen Art, das Scorsese mit „The Irishman“ vorlegt. Die von Steven Zaillian („Schindlers Liste“, „American Gangster“) verfasste Adaption der Romanvorlage wartet so gar nicht mit den typischen Genre-Zutaten und -Konventionen auf, setzt Gewalt nur sehr akzentuiert ein und verzichtet auf nahezu jeden Spannungsmoment. Dafür nehmen sich Zaillian und Scorsese, die bereits bei „Gangs of New York“ zusammengearbeitet haben, viel Zeit für die Entwicklung ihrer Geschichte, die aus der Perspektive von Frank Sheeran erzählt wird, der zu Beginn des Films gebrechlich im Altersheim sitzt und rückblickend seine Lebensgeschichte offenbart. Über einen Zeitraum von vierzig Jahren bekommt der Zuschauer einen Einblick in die an sich unspektakuläre Karriere eines Mannes, der sein Engagement für die Mafia seiner Kriegsvergangenheit verdankt, in der er Italienisch lernte, und eigentlich immer am Rand des Geschehens und doch mittendrin stand. 
Robert De Niro („Kap der Angst“, „Taxi Driver“) ist hier in einer seiner besten Rollen seit langem zu sehen. Überzeugend verkörpert er einen an sich einfachen Mann, der sich durch seine Loyalität zu einer festen Größe in der Mafia von Philadelphia und an der Seite von Jimmy Hoffa entwickelt, aber seine Familie stets außen vor lässt. Allein seine Tochter Peggy (Anna Paquin) weiß, zu was ihr Vater fähig ist, nachdem sie als Teenagerin Zeugin wurde, wie er einen Lebensmittelhändler, der sie „geschubst“ haben soll, zusammengeschlagen und getreten hat. Indem sich Peggy schließlich ganz von ihrem Vater abwendet und er am Ende seines Lebens allein in einem Altersheim dahinvegetiert, macht Scorsese deutlich, wie wenig sich das Leben als Gangster letztendlich gelohnt hat. 
Die Gangster verlieren ihre Freunde und Familien, und wenn es richtig blöd läuft, auch gewaltsam ihr Leben. Indem Scorsese auf jede Art von Spannung verzichtet, entlarvt er das Leben als Mafioso auch als wenig spektakulär. Die Männer tun nun mal das, was sie tun sollen, basta. Doch nicht nur Robert De Niro brilliert in der Hauptrolle, auch Al Pacino („Heat“, „Der Pate“) überzeugt als temperamentvoller Gewerkschaftsführer, der viel Wert auf Respekt ihm gegenüber legt. Und schließlich darf auch Joe Pesci („Lethal Weapon“, „Es war einmal in Amerika“) als Mafiaboss zeigen, was in ihm steckt. Dagegen spielen die Frauenrollen – abgesehen von Anna Paquin - durchweg nur die zweite Geige in einem Mafiaepos, das zwar etliche Längen aufweist, aber durch die schonungslose Entlarvung des Mythos um das schillernde Leben in der Mafia, die brillante Kameraarbeit von Rodriego Prieto („Babel“, „The Wolf of Wall Street“) und den famos aufspielenden Cast besticht. 
Bei der Oscar-Verleihung 2020 ging „The Irishman“ zwar mit zehn Nominierungen (u.a. für den Besten Film und die Beste Regie) als einer der Favoriten ins Rennen, erhielt aber keine einzige der begehrten Trophäen, was durchaus als Kommentar Hollywoods auf die Produktionen von Filmen zu verstehen ist, die nur für Streaming-Dienste und nicht fürs Kino produziert worden sind. 

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