Cosmopolis

Im Verlauf seiner über 40-jährigen Regie-Karriere hat der kanadische Autorenfilmer David Cronenberg zwar meist seine eigenen Drehbücher verfilmt, immer mal wieder aber auch ganz unterschiedliche Literaturvorlagen adaptiert. Nach Stephen Kings Bestseller „Dead Zone“, William S. Burroughs‘ „Naked Lunch“, J.G. Ballards „Crash“, Patrick McGraths „Spider“ und der Graphic Novel „A History of Violence“ von John Wagner und Vince Locke folgte 2012 Don DeLillos bereits 2003 veröffentlichter Roman „Cosmopolis“, mit dem der Autor seine düsteren Vorahnungen über den Zusammenbruch des Finanzsystems thematisierte. Cronenbergs kühl stilisierte Adaption gab „Twilight“-Star Robert Pattinson die Möglichkeit, sich endlich als Charakter-Darsteller zu etablieren.

Inhalt:

Es ist Frühling in Manhattan, doch dem millionenschweren Finanzgenie Eric Packer (Robert Pattinson) kommt es kaum in den Sinn, das schöne Wetter im Herzen von New York zu genießen. Stattdessen will er mit seiner technisch hochgerüsteten und gepanzerten weißen Stretchlimousine quer durch die Stadt zu seinem Lieblingsfriseur chauffiert werden, wovon ihn sein Leibwächter Torval (Kevin Durand) abzubringen versucht. Schließlich ist der Präsident in der Stadt, gegen den Drohungen aus dem Milieu der Globalisierungsgegner im Umlauf sind, weshalb der Verkehr nur zäh durch die US-amerikanische Metropole fließt. Außerdem zieht ein riesiger Trauerzug um den verstorbenen Sufi-Rapper Brutha Fez durch die Straßen. Während Packer im Schritttempo durch die verstopften Straßen schleicht, sinniert er mit Geschäftspartnern und verschiedenen Experten, lässt sich wie jeden Tag von einem Arzt untersuchen, um feststellen zu lassen, dass er eine asymmetrische Prostata hat, und lädt sich zum Sex verschiedene Geliebte ein, während er seine frisch angeheiratete Frau Elise (Sarah Gadon) dazu drängt, endlich mit ihr schlafen zu dürfen. Doch die ebenfalls schwerreiche Elise, die die reine Vernunft und Spekulation auf exponentiell wachsenden Reichtum in die Arme von Packer getrieben hat, verfolgt ihre eigene Agenda, schreibt an einem Buch und verbringt ihre Zeit am liebsten in Buchläden und Bibliotheken. Mehr noch als die Befriedigung fleischlicher Begierden treibt Packer ein verlustreiches Termingeschäft mit dem japanischen Yen um. Als er auf dem Weg zum Friseur an die Waffe seines Sicherheitschefs kommt, dreht Packer durch … 

Kritik: 

Nach den für Cronenberg ungewöhnlich gefälligen Thrillern „A History of Violence“ (2005) und „Tödliche Versprechen – Eastern Promises“ (2007) sowie dem psychologischen Drama „Eine gefährliche Begierde“ (2011) demonstriert der kanadische Altmeister, dass er nach wie vor der tiefgründigen und verstörenden Filmkunst mächtig ist. Dabei kommt sein „Cosmopolis“ extrem unterkühlt, distanziert und künstlich daher, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass sich die Handlung auf einen Tag im Leben eines 28-jährigen, alles andere als sympathischen Finanzgenies meist in seiner aufgepimpten Luxus-Limousine beschränkt. 
Die Gespräche, die er dort mit verschiedenen Menschen führt, sind jenseits gewöhnlicher Konversation angesiedelt und nicht dazu gedacht, beim Publikum leichtes Gehör oder Verständnis zu finden, sondern demonstrieren die völlig abgehobene, abstrakte Welt, in der sich Packer bewegt. Robert Pattinson meistert die Herausforderung, den schwer zugänglichen Film nahezu allein auf seinen Schultern tragen zu müssen, überraschend souverän. Seine Figur ist nicht darauf ausgelegt, Identifikationspotenzial geschweige denn Sympathien beim Zuschauer zu wecken, sondern die abgehobene Welt eines Geistes zu beschreiben, der ganz in einer zahlenfundierten Welt der Informationen lebt. 
Wie fragil diese Welt letztlich ist, hat die große Finanzkrise ab 2007 bewiesen. Adäquat dazu gerät auch Packers Welt allmählich aus den Fugen, was im bemerkenswerten Gespräch mit dem Verschwörungstheoretiker Benno Levin (Paul Giamatti) im Finale wunderbar zum Ausdruck kommt. Bis dahin zieht sich die Geschichte allerdings recht zäh dahin, wird aber durch die beiden Sex-Einlagen (u.a. mit Juliette Binoche), Rattenmänner in einem Diner und den gewaltbereiten Demonstranten etwas aufgelockert. Doch die schwarzhumorigen Einlagen täuschen nicht darüber hinweg, dass „Cosmopolis“ zwar einen intellektuell anregenden Diskurs zum Zusammenbruch der iEconomy darstellt, den Zuschauer aber permanent auf Distanz hält und einen Protagonisten präsentiert, den man nur bemitleiden kann. 

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