Der Vorleser

Auf dem Heimweg von der Schule erleidet der 15-jährige Michael Berg (David Kross) einen Schwächeanfall und muss sich an einer Hauswand in Neustadt übergeben. Wenig später greift ihn die Schaffnerin Hanna (Kate Winslet) auf, peppelt den Jungen in ihrer Wohnung auf und begleitet ihn nach Hause, wo er über viele Monate lang seine Gelbsucht auskuriert. Als er sich bei ihr mit einem Blumenstrauß für ihre Hilfe bedanken will, kommen sich Michael und die 36-Jährige im entnazifizierten Wirtschaftswunder-Deutschland näher und beginnen eine eigentümliche Affäre mit rituellen Regeln, die von der resoluten Frau diktiert werden.
Schließlich hat Michael dermaßen Angst, seine Geliebte zu verlieren, dass er sich in jeder Hinsicht herumkommandieren lässt. Da Hanna des Lesens nicht mächtig ist, bittet sie den gescheiten Jungen, ihr erst einmal etwas vorzulesen, anschließend führt sie ihn in die Geheimnisse der Liebe ein. Dieses Verhältnis muss natürlich geheim bleiben, doch je mehr Hanna Vertrauen und Zuneigung zu dem schüchternen Jungen fasst, umso mehr traut sie sich mit ihm auch in die Öffentlichkeit, unternimmt mit ihm sogar eine Radtour. Doch dann verschwindet Hanna eines Tages spurlos.
Acht Jahre später studiert Michael bei Professor Rohl (Bruno Ganz) Jura. Da entdeckt er bei dem Besuch eines Gerichtsprozesses Hanna wieder – als Angeklagte bei einem Kriegsverbrecherprozess. Während die mitangeklagten Wärterinnen aus dem Konzentrationslager Auschwitz alle Schuld Hanna zuweisen, ist diese sich keiner Schuld bewusst. Schließlich hat sie ja nur Befehle ausgeführt. Dass sie für den Tod von ungefähr 300 Menschen verantwortlich sein soll, scheint ihr Gewissen nicht zu belasten. Michael könnte zu ihren Gunsten aussagen, schweigt aber und somit mitverantwortlich für ihre lebenslange Haft. Um ihr die Zeit im Gefängnis trotzdem angenehmer zu gestalten, setzt er eine alte Tradition fort: Er liest Hanna etwas vor, nimmt das Gelesene auf Tonband auf und schickt ihr die Bänder ins Gefängnis. Und auch als Hanna vorzeitig aus der Haft entlassen wird, kümmert sich der nun erwachsene Michael (Ralph Fiennes) um seine damalige Geliebte.
Es kann für Regisseur Stephen Daldry ("Billy Elliot", "The Hours") keine leichte Aufgabe gewesen sein, den international erfolgreichen Roman von Bernhard Schlink aus dem Jahre 1995 zu verfilmen. Schließlich spielt die Geschichte nicht nur in drei Zeitebenen, sondern verknüpft so komplexe Themen wie das Leben im Nachkriegsdeutschland, die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich und seinen Verbrechen, aber auch um die erste Liebe und die Probleme, die mit Beziehungen zwischen so ungleichen Partnern zu jener Zeit einhergingen.
Auch wenn es die Sprünge zwischen den einzelnen Zeitebenen schwer machen, sich richtig auf das Geschehen einzulassen, ist es Daldry doch gelungen, die vielschichtige Geschichte einfühlsam zu erzählen. Dass dabei nicht jedes Thema befriedigend beleuchtet werden kann, liegt in der Natur der Verfilmung eines so schwergewichtigen Bestsellers. Zumindest Kate Winslet ist eine bemerkenswerte Vorstellung gelungen, bringt sie die emotionale Zurückhaltung der Hanna Schmitz und die Naivität im Zusammenhang mit der von ihr begangenen Verbrechen wunderbar zum Ausdruck. Dagegen bleiben David Kross und vor allem Ralph Fiennes hinter den Möglichkeiten zurück, ihren Figuren etwas mehr Präsenz zu verleihen.
So ist "Der Vorleser" eine zwar überzeugende, aber nicht grandiose Bestseller-Verfilmung geworden, die das Thema Holocaust auf eher ungewöhnliche Weise angepackt hat. 
"Der Vorleser" in der IMDb

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