Rachels Hochzeit

Da die Hochzeit ihrer Schwester, der angehenden Psychologin Rachel Buchman (Rosemarie DeWitt) ansteht, darf die labile Kym (Anne Hathaway) für zwei Tage das Reha-Zentrum verlassen, in dem sie von ihrer Drogensucht loszukommen versucht. Als sie von ihrem Dad Paul (Bill Irwin) und seiner neuen Frau Carol (Anna Deavere Smith) mit dem Auto abgeholt wird, lässt die Konversation im Wagen schon erahnen, dass der Familiensegen auf dem Anwesen in Connecticut etwas schief hängt. Nach einer kurzen Begrüßung der Familie, die natürlich voll in den Festvorbereitungen steckt, schiebt sie mit Kieran (Mather Zickel), einem Kollegen aus ihrer Selbsthilfegruppe, ein kurzes Nümmerchen im Keller, bevor es dann beim Probeessen ins Eingemachte geht.
Jedes Familienmitglied hält eine kleine Rede auf Rachel und ihren Verlobten, den schwarzen Musikproduzenten Stanley (Tunde Adebimpe). Etwas verspätet taucht auch Kyms und Rachels Mutter Abby (Debra Winger) mit ihrem neuen Lebensgefährten auf. Als Kym das Mikro ergreift, geht es eher um Kyms Selbstabsolution als um das Brautpaar, und Rachel ist zunehmend genervt von ihrer exaltierten Schwester, die sich ständig in den Mittelpunkt rückt. Erst im späteren Verlauf der Geschichte wird deutlich, wie schwer Kyms Schuldgefühle wiegen.
Hat Jonathan Demme mit den Oscar-prämierten Filmen "Das Schweigen der Lämmer" und "Philadelphia" einen nachhaltigen Eindruck in Hollywood hinterlassen, präsentiert er mit "Rachels Hochzeit" einen ungemein intimen Einblick in die Vorbereitungen eines Festes, bei dem zwei komplette Familien involviert sind. Dabei macht sich der Regisseur eher die Praxis von Home Movies zu Eigen als konventionelle Hollywood-Bilderreigen zu inszenieren. Stellvertretend für den Regisseur führt auch ein frischer Irakkrieg-Heimkehrer den Camcorder, und so lässt Demme oft die unruhigen Einstellungen für sich erzählen, bleibt dabei auf Kym fokussiert, der er einfach über die Schulter guckt oder sie unbeteiligt beobachtet, wie sie zwischen Frustration, Selbstzerfleischung und Angriffslust schwankt. Doch Jonathan Demme ist weit davon entfernt, Kym für ihr Tun zu verurteilen. Zum Ende des Films wird dann auch nachvollziehbar, warum sich die junge Frau innerlich so zerfleischt. Anne Hathaway legt mit ihrer Darstellung der Alkoholsüchtigen ihre bis dato sicherlich eindrucksvollste Leistung hin, aber auch Rosemarie DeWitt überzeugt als ihre Schwester, die alles im Leben erreicht hat, was man sich nur wünschen kann, die sich eben aber auch wünscht, dass sie im Mittelpunkt ihrer eigenen Hochzeitsfeier steht. Und schließlich agiert Debra Winger angenehm zurückhaltend als egoistisch erscheinende Mutter, die die Hochzeit ihrer Tochter eher als Stippvisite betrachtet, zu der man spät kommt und sie wieder früh verlässt.
Jonathan Demme betrachtet all die problematischen Personen völlig vorurteilsfrei und verweigert sich einer abschließenden Stellungnahme, sondern lässt all die individuellen Schicksale unkommentiert. Das macht das ergreifende Drama so sehenswert!
"Rachels Hochzeit" in der IMDb

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