Rohtenburg

Für ihre Abschlussarbeit ihres Studiums zieht es die junge Kriminalpsychologin Katie Armstrong (Keri Russell) nach Deutschland, um im Kannibalen-Fall Oliver Hartwin (Thomas Kretschmann) zu recherchieren. Dieser suchte vor einigen Jahren übers ein Kannibalen-Portal im Internet ein freiwilliges Opfer, seinen zur Neige gehenden Fleischvorrat wieder aufzufüllen. Mit dem homosexuellen Simon Grombek (Thomas Huber) fand er schließlich einen Freiwilligen, der zuvor schon einen Freier erfolglos gebeten hatte, seinen Schwanz abzubeißen. Der schmerzvolle Verlust der Männlichkeit ist dann auch der erste Schritt seiner schrittweisen Tötung.
Hartwin seinerseits hat die menschliche Schlachtung akribisch in seinem Keller vorbereitet, die Wände mit Matratzen schalldicht isoliert, einen großen Tisch in die Mitte des Raumes gestellt, scharfes Werkzeug besorgt und im Internet auch recherchiert, wie die Schlachtung idealerweise auszuführen ist. Das Opfer sollte entsprechend betäubt werden, doch schlägt diese nicht wie gewünscht an. Grombek ist schon dabei, wieder einen Rückzieher zu machen, doch Hartwin besorgt eine weitere Flasche des Anästhetikums, das Grombek zusammen mit einer ganzen Flasche harten Alkohols runterspült und endlich zu wirken beginnt. Das Abbeißen des Schwanzes ist dennoch mit großen Schmerzen verbunden, anschließend wird das gebratene Geschlechtsteil von beiden Männern verzehrt, ehe es zur Schlachtbank geht. Fassungslos verfolgt Katie Armstrong den Tathergang auf einem Video, das ihr zugespielt worden ist.
Der Fall Armin Meiwes sorgte über die bundesdeutschen Grenzen hinweg für einiges Aufsehen in den Medien und inspirierte ganz verschiedene Künstler aus den Bereichen Musik, Theater, Comic und Film. Meiwes hatte über eine Kontaktanzeige im Internet den 43-jährigen Diplom-Ingenieur Bernd Brandes gefunden, der sich nichts sehnlicher wünschte, als vollkommen zu verschwinden. Meiwes sollte ihm nicht nur den Penis abbeißen und sein Fleisch verzehren, sondern auch Knochen und alle Reste seines toten Körpers vernichten. Die Polizei kam Meiwes im nordhessischen Rotenburg-Wüstefeld auf die Spur, weil ein Student aus Innsbruck auf eine weitere Anzeige dieser Art des Kannibalen aufmerksam wurde und die Polizei einschaltete.
Meiwes gestand die Tat, konnte aber auch anhand des mitgeschnittenen Videos beweisen, dass die Tötung mit ausdrücklicher Einwilligung des Opfers geschah. Der "Kannibale von Rotenburg" wurde im Jahr 2004 vom Landgericht Kassel zunächst wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt, ein Jahr später hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf, und Meiwes erhielt 2006 eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes und Störung der Totenruhe.
Als die Verfilmung seines Falls unter dem Titel "Rohtenburg" am 9. März 2006 in den Kinos starten sollte, erwirkten Meiwes' Anwälte eine einstweilige Verfügung mit der Begründung, dass die Persönlichkeitsrechte ihres Mandanten verletzt worden seien. Da der Bundesgerichtshof im Mai 2009 diese Verfügung wieder aufhob, konnte der Film nun zumindest auf DVD erscheinen. Mit Blick auf den internationalen Markt wurde "Rohtenburg" sogar auf Englisch gedreht, aber man möchte stark bezweifeln, dass der Film im Ausland auf Interesse treffen wird. Denn "Rohtenburg" ist erschreckend plakativ ausgefallen. Die Rahmenstory der amerikanischen Studentin, die es nach Deutschland, um den Fall zu recherchieren, scheint allein dazu inszeniert worden zu sein, internationales Flair heraufzubeschwören und wenigstens eine amerikanische Schauspielerin im Cast aufweisen zu können. Ansonsten trägt dieser Handlungsstrang wenig zum Filmverständnis bei. Während bei thematisch ähnlichen Filmen wie "Das Schweigen der Lämmer" und "Der Totmacher" die psychologischen Aspekte des Kannibalismus in der modernen Welt interessant aufbereitet wurden, belässt es "Rohtenburg" bei ärgerlichen Plattitüden. So litt Hartwin unter seiner kranken, dominanten Mutter, hatte keine sozialen Kontakte außer zur Pflegerin seiner Mutter und vergnügte sich mit Slasher-Filmen wie "Die Gesichter des Todes". Aber auch die seelischen Qualen seines Opfers werden nicht erklärt. Hier ist es der Selbstmord der Mutter, der bei Grombek offensichtlich den Wunsch heraufbeschwört, komplett vom Erdboden und in der Erinnerung der Menschen, die ihn kannten, zu verschwinden.
Thomas Kretschmann spielt Oliver Hartwin alias Armin Meiwes recht phlegmatisch und entzieht sich so einer Annäherung durch den Zuschauer. Intensiver ist das Spiel seines Opfers ausgefallen, nur hätte man sich gewünscht, seine Beweggründe für diese drastische Art zu verstehen, aus dem Leben zu treten. So bleibt "Rohtenburg" ein reißerisches Kannibalen-Drama, dem jeder psychologischer Tiefgang fehlt und leider auch filmisch nichts zu bieten hat, was dem platten Drehbuch positiv entgegenwirken könnte. 
"Rohtenburg" in der IMDb

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