Belle de Jour - Schöne des Tages

Als Luis Buñuel 1928 zusammen mit dem spanischen Maler Dalí seinen ersten experimentellen Kurzfilm „Ein andalusischer Hund“ realisierte, schuf er ein filmisches Aushängeschild für die surrealistische Bewegung, die sich in Paris um André Breton formiert hatte. In seiner surrealistischen Phase thematisierte Buñuel den „amour fou“ als Äußerung einer absoluten Liebe, die sich nicht durch soziale Mechanismen regulieren lässt und gegen jede Vernunft erhaben ist. Als er nach seiner mexikanischen Phase, die von rigiden Zensurbestimmungen und knappen Ressourcen geprägt war, nach Frankreich zurückkehrte, nahm er sich wieder den surrealistischen Sujets seiner Frühphase an und präsentierte 1967 mit „Belle de Jour – Schöne des Tages“ ein Werk, das gekonnt Traumsequenzen mit der Wirklichkeit verbindet.
An der Seite ihres fürsorglichen, wohlhabenden und liebevollen Ehemanns Pierre (Jean Sorel) führt Séverine Sérizy (Catherine Deneuve) ein sorgenfreies, eigentlich rundherum glückliches Leben. Allerdings verweigert sie ihrem Mann konsequent den ehelichen Beischlaf. Während Pierre als verständnisvoller Arzt mit viel Geduld darauf hinarbeitet, dass seine Frau ihm den Kinderwunsch erfüllt, gibt sich Séverine erotischen Tagträumen hin, in denen sie gefesselt, geschlagen und vergewaltigt wird. Durch Henri Husson (Michel Piccoli), einen Freund ihres Mannes, bekommt Séverine Kontakt zu einem elitären Bordell, in dem sie nachmittags nach anfänglichen Hemmungen ihre sexuellen Wünsche auszuleben beginnt und sich dabei vor allem von dem temperamentvollen Kleinganoven Marcel (Pierre Clémenti) angezogen fühlt. Als sowohl Husson als auch Marcel den ahnungslosen Ehemann mit dem Treiben seiner Frau konfrontieren wollen, bahnt sich eine Katastrophe an.
Während Buñuel in früheren Werken gern den weiblichen Körper fetischisierte und seine eigenen Obsessionen thematisierte, stellt er in „Belle de Jour“ die sexuellen Wünsche und Begierden einer Frau in den Mittelpunkt. Catherine Deneuve überzeugt dabei als stets elegant gekleidete, fast zurückhaltende Oberschichtenehefrau, die für eine klar abgegrenzte Tageszeit ihre erotischen Tagträume zu befriedigen beginnt, indem sie in einem Edelbordell anheuert. Dabei ist es symptomatisch, dass sie sich schwertut, einem Masochisten zu Diensten zu sein, während sie auf der anderen Seite dem groben Ganoven Marcel immer mehr zugetan ist. Interessant ist die Art und Weise, wie Buñuel und seine Hauptdarstellerin die Kluft zwischen dem Bedürfnis, einerseits eine gute Ehefrau zu sein, und dem Verlangen andererseits, sexuell erniedrigt zu werden, zu überbrücken versuchen. Hier bedient sich der Regisseur immer wieder mehrdeutiger Traumsequenzen, die als solche gar nicht von den realen Szenen zu unterscheiden sind, sondern mit den gleichen Filmmitteln umgesetzt wurden, so dass auch der Zuschauer immer wieder zu interpretieren gezwungen wird. Am Ende ergeben sich für Séverine durch die Anhäufung verschiedener (Un-)Glücksfälle mehrere Optionen, das emotionale Dilemma aufzulösen, und diese Vieldeutigkeit verleiht dem Film auch seinen besonderen Reiz.
"Belle de Jour - Schöne des Tages" in der IMDb

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