Rad der Zeit

Der bayrische Filmemacher Werner Herzog ist nicht nur durch seine aufreibende, aber enorm produktive Zusammenarbeit mit Klaus Kinski („Fitzcarraldo“, „Nosferatu“, „Cobra Verde“) bekannt geworden, sondern hat sich auch immer wieder als Dokumentarfilmer versucht. Neben den beiden Spielfilmen „My Son, My Son, What Have Ye Done“ und „Kaspar Hauser – Jeder für sich und Gott gegen alle“ sind in der Blu-ray-„Werner Herzog Edition“ von StudioCanal auch die drei Dokumentationen „Happy People – Ein Jahr in der Taiga“, „Lektionen in Finsternis“ und „Rad der Zeit“ enthalten.
Werner Herzog und seinem Filmteam ist etwas gelungen, was noch keinem zuvor gestattet worden ist, nämlich mit der Kamera eines der bedeutendsten buddhistischen Rituale, die Kalachakra-Initiation, zu dokumentieren. Die Schwerpunkte der Dokumentation liegen zum einen auf der beschwerlichen Reise, die Gläubige teilweise jahrelang Strecken von bis zu viertausend Kilometern zurücklegen ließ, oft sogar auf dem Boden robbend. Vor allem der in Tibet liegende heilige Berg Kailash steht hier im Mittelpunkt von Herzogs Reise-Dokumentation. Hier hoffen die Gläubigen auf die zwölffache Aufhebung schlechten Karmas für ihr nächstes Leben. Auf der anderen Seite lässt Herzog die Kamera im indischen Bodh Gaya kreisen, über 500.000 Buddhisten, die tagelang meditieren und sich auf die vom Dalai Lama angeführte Initiation vorbereiten.
Zwar kann der Dalai Lama wegen einer schweren Erkrankung nur kurz anwesend sein. Derweil arbeiten ausgesuchte Mönche tagelang an dem aus farbigem Sand kreierten Mandalas „Rad der Zeit“, mit dem den Göttern gehuldigt wird und deren Anblick die Meditierenden in eine heilige innere Seelenlandschaft führt. In Interviews, die Herzog mit dem Dalai Lama führt, betont dieser, dass er es nicht gutheißt, wenn Menschen aus fremden Kulturkreisen zum Buddhismus konvertieren und so ihre eigenen kulturellen Wurzeln verleugnen. Gleichwohl glaubt er, dass es hilft, Kriege zu vermeiden, wenn man sich mit anderen Glaubensrichtungen auseinandersetzt.
Herzogs Dokumentation besticht durch eindrucksvolle Bilder von der Erschaffung und Zerstörung des Mandalas, von zutiefst gelassen wirkenden Mönchen, die wegen ihres Glaubens jahrlange Haftstrafen verbüßen mussten oder strapaziöse Reisen auf sich genommen haben. Aber „Rad der Zeit“ gelingt es nicht, tiefere Einblicke in den Buddhismus zu gewähren. Dazu ist Herzogs Herangehensweise zu selektiv, zu akademisch. Das trifft auch auf die Aufnahmen aus dem österreichischen Graz zu, wo das Mandala erstmals auf europäischem Boden kreiert wurde. Als tiefergehende Dokumentation über den Buddhismus taugt „Rad der Zeit“ sicher nicht, aber die betörenden Bilder der Gläubigen und die Interviews mit dem Dalai Lama sind fraglos interessant.
"Rad der Zeit" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts