Eine Flut von Dollars

Der frühere italienische Filmkritiker Carlo Lizzani hat seine Karriere als Regisseur Ende der 1940er Jahre mit Dokumentarfilmen begonnen (und in den 2010er Jahren bis zu seinem Selbstmord auch beendet) und dann vor allem Dramen und Thriller wie „Die Banditen von Mailand“ (1968), „Chronik armer Liebesleute“ (1954), „Testament in Blei“ (1974) und „Der Sizilianer“ (1972) realisiert. Seinen ersten (von zwei) Ausflügen ins Italo-Western-Genre unternahm er 1966 mit „Eine Flut von Dollars“, den er unter dem Pseudonym Lee W. Beaver und mit einem erinnerungswürdigen Score von Ennio Morricone in die Kinos brachte.
Nach dem Ende des Bürgerkriegs rauben die beiden Rebellen Jerry Brewster (Thomas Hunter) und Ken Seagull (Nando Gazzolo) die Kriegskasse der Konföderierten und wollen mit den erbeuteten 600.000 Dollar den Start in ihr neues Leben finanzieren. Als sich jedoch ein Yankee-Trupp an ihre Fersen heftet, losen sie mit einer Münze aus, wer sich mit der Postkutsche von den Soldaten jagen lässt und wer mit der Beute das Weite sucht. Brewster zieht den Kürzeren, nimmt seinem Freund aber das Versprechen ab, dass er sich um seine Familie kümmert, wenn er geschnappt wird. Als Brewster allerdings nach fünf Jahren aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wird, findet er sein ehemaliges Zuhause verlassen vor. Aus den Briefen, die seine Frau hinterlassen hat, erfährt Brewster nur, dass sich Seagull offensichtlich nicht an sein Versprechen gehalten hat. Natürlich will er seinen ehemaligen Freund deshalb zur Rechenschaft ziehen. Gleichzeitig beauftragt Seagull, der sich unter seinem neuen Namen Milton ein Imperium aufgebaut hat, seine Pistoleros – angeführt von dem sadistischen Gracia Mendez (Henry Silva) - damit, Brewster zu töten, als er von dessen Freilassung erfährt. Brewster versteht es, seine ersten Gegner mi Hilfe eines geheimnisvollen Fremden namens Winnie Getz (Dan Duryea) auszuschalten. Getz hilft ihm schließlich sogar, sich unter dem neuen Namen Jim Houston, auf der Seagull/Milton-Ranch einzuschleichen. In der Nähe der benachbarten begegnet Brewster/Houston überraschenderweise seinem Sohn Tim (Loris Loddi), der ohne seine verstorbene Mutter bei einem Schmied lebt und auch seinen Vater für tot hält. Dieses unerwartete Wiedersehen bestärkt Brewster nur darin, mit Seagull abzurechnen …
Lizzanis erster Ausflug ins Italo-Genre beruht auf dem ebenfalls ersten Western-Drehbuch von Piero Regnoli (das dieser auch unter Pseudonym - Dean Craig – verfasste) und bietet ein eher konventionelles Rache-Drama, das unaufhaltsam auf die Konfrontation der beiden ehemaligen Freunde Brewster und Seagull hinausläuft, die sich innerhalb von fünf Jahren aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen ein ganz neues Leben aufgebaut haben. Während sich der inhaftierte Brewster nur danach sehnt, wieder zu seiner geliebten Familie zurückzukehren, hat Seagull den erbeuteten Reichtum nur dazu genutzt, andere Menschen – notfalls mit Gewalt - um ihren Besitz zu bringen. Die Sympathien des Publikums sind also von vornherein klar verteilt.
Was folgt, ist eine actionreiche Reduzierung des Milton-Clans durch Getz und Brewster, der sich nicht nur als schlagkräftig, sondern auch treffsicher und vor allem einfallsreich erweist. Diese Qualitäten sorgen für einige unterhaltsame, wenn auch wenig einfallsreich inszenierte Prügeleien und Schießereien. Thomas Hunter („Ein Mann rechnet ab“, „Der letzte Countdown“) verleiht seiner zunächst gebrochenen Figur, die durch das Wiedersehen mit dem Sohn wieder Lebensmut schöpft, die nötige Glaubwürdigkeit, während Henry Silva („Botschafter der Angst“, „Ghost Dog“) mit seinem diabolischen Lachen perfekt den psychopathisch wirkenden Killer mimt. Dagegen kann Nicholetta Machiavelli („Nachtblende“, „Tödlicher Hass“) als Seagulls spröde Schwester kaum Akzente setzen.
Für einen Italo-Western ungewohnt ist die Thematisierung der Vater-Sohn-Geschichte, die dem Film eine eher unpassende emotionale Wärme verleiht, die dem Rachedrama zuwiderläuft. Ansonsten bleibt vor allem die Musik von Ennio Morricone – unter seinem Pseudonym Leo Nichols – im Ohr hängen.
"Eine Flut von Dollars" in der IMDb

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