Ein Gauner & Gentleman

Seit Robert Redford im Jahre 1960 seine Schauspielkarriere durch Einmal-Auftritte in Fernsehserien wie „Maverick“, „Perry Mason“ und „Der zweite Mann“ begonnen hatte, wurde er bereits ab Mitte der 1960er Jahre zum gefragten Mimen in Hollywood, überzeugte in Dramen, Komödien, Western und Abenteuer-Filmen wie „Barfuß im Park“, „Der Clou“, „Zwei Banditen“, „Die drei Tage des Condor“, „Jeremiah Johnson“ und „Der große Gatsby“, bevor er in den 1980ern auch als Regisseur erfolgreich in Szene trat. Nach einer fast sechzigjährigen Karriere verkündete er, dass er mit „Ein Gauner & Gentleman“ seinen Abschied von der Filmbühne als Schauspieler nehmen würde. Einen passenderen Abgang hätte man der charismatischen Hollywood-Legende nicht wünschen können.

Obwohl Forrest Tucker (Robert Redford) den Großteil seines Lebens hinter Gittern verbrachte, kann der alternde Gauner es nicht lassen, mit seinen beiden Kumpels Teddy (Danny Glover) und Waller (Tom Waits) durchs Land zu ziehen und Banken auszurauben. Während Teddy und Waller dafür zuständig sind, die unmittelbare Umgebung abzuchecken, bewegt sich Tucker mit einem Knopf im Ohr, über den er den Polizeifunk abhört, entspannt zum Schalter und bittet die Angestellte freundlich mit versteckt präsentierter Pistole, die mitgebrachte Aktentasche mit den Barbeständen an den Schaltern zu füllen. Gelegentlich wendet sich das alte Schlitzohr auch direkt an den Manager. Dabei präsentiert sich Tucker so freundlich, dass niemand ihm dem Gefallen abschlagen möchte. Im Jahr 1981 wird auch John Hunt (Casey Affleck), Cop beim Raubdezernat, ausgerechnet an seinem 40. Geburtstag unmerklich Zeuge eines weiteren Banküberfalls. Allerdings erfährt er erst davon, als der Manager nach dem erfolgreichen Coup die Türen schließt und der versammelten Kundschaft verkündet, dass die Bank gerade überfallen worden sei. Da haben Tucker und seine beiden Handlanger bereits das Fluchtauto gewechselt und sich getrennt, und über den Polizeifunk bleibt Tucker über die Aktivitäten der Cops stets auf dem Laufenden. So hält er auf dem Highway auf dem Standstreifen, um der Farmbesitzerin Jewel (Sissy Spacek) vermeintlich bei ihrer Autopanne zu helfen, doch aus dem offensichtlichen Tarnungsmanöver entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden allein Lebenden. Währenddessen trägt Hunt Hinweise zusammen, die darauf hindeuten, dass eine ganze Reihe von Banküberfällen im Land auf das Konto der von ihm so genannten „Alt-Herren-Gang“ verübt worden ist, womit das FBI die Ermittlungen übernimmt. Doch Hunt ist überzeugt, dass er der richtige Mann ist, um Tucker und seine Jungs zu fassen …
Auch wenn es in „Ein Gauner & Gentleman“ vornehmlich um die anhaltenden Aktivitäten einer Bankräuber-Truppe geht, stellt der Film alles andere als ein klassisches Heist Movie dar. In dem Film von David Lowery („A Ghost Story“, „The Saints – Sie kannten kein Gesetz“), der auf einem Artikel im New Yorker von David Grann und dem Leben des realen Forrest Tucker basiert, konzentriert sich das Geschehen eher auf die unverkennbare Freude, die Tucker bei seinem Job empfindet. Es geht ihm eben nicht um das schnelle und große Geld, mit dem er sich vorzeitig zur Ruhe setzen könnte. Schließlich ist er schon im Rentenalter und hat alles zum Leben, was er braucht. Ihn reizt einfach der Kitzel und das Vergnügen, mit seiner einfachen Masche Banken um etwas Bargeld zu erleichtern. Weil daraus kein abendfüllender Spielfilm gemacht werden kann, dürfen natürlich auch die Cops in Gestalt von Lowerys Stammschauspieler Casey Affleck (und in einer Mini-Nebenrolle Keith Carradine) nicht fehlen, so dass durch die polizeiliche Jagd auf Tucker & Co. etwas Spannung generiert wird. Aber ganz wesentlich für den unwiderstehlichen Charme des Films ist auch die Freundschaft zwischen Tucker und der allein mit ihren Pferden auf ihrer großen Farm lebenden Jessy, die ebenso warmherzig und humorvoll von Sissy Spacek („The Straight Story“, „In the Bedroom“) verkörpert wird.
Im Zusammenspiel der beiden wundervollen Routiniers kommt die verschmitzte Wohlfühl-Atmosphäre der Geschichte erst richtig zur Geltung. Da können die prominenten Nebendarsteller wie Danny Glover („Lethal Weapon“, „Die Farbe Lila“) und Tom Waits („Down By Law“, „7 Psychos“) kaum eigene Akzente setzen, wohl aber die jazzigen Töne von Lowerys Stamm-Komponist Daniel Hart, der die wunderbar nostalgisch anmutenden Bilder mit einer adäquaten Lässigkeit untermalt.

"Ein Gauner & Gentleman" in der IMDb