The Bay - Staffel 1

Mit den drei Staffeln von „Broadchurch“ (2013-2017) hat die britische Produktionsfirma Independent Television (ITV) ein absolutes Highlight der feinen Krimi-Kost hinterlassen, das nicht nur wegen des außergewöhnlichen Settings in einer malerischen Kleinstadt an der britischen Küste, sondern vor allem wegen der charismatischen Ermittler faszinierte, deren jeweils persönliche Probleme den Fall eines ermordeten Jungen zu einer wachsenden Herausforderung werden lassen. Mit „The Bay“ knüpft ITV nun nahtlos an das erfolgreiche Konzept von „Broadchurch“ an und vermag in den sechs Folgen der ersten Staffel trotz des kaum modifizierten Plots zu überzeugen.

Die alleinerziehende Mutter Lisa Armstrong (Morven Christie) arbeitet beim West Lancashire Police Departement im britischen Küstenstädtchen Morecambe, wo sie bei Gewaltverbrechen als Kontaktperson zwischen den betroffenen Familien und der Polizei fungiert. So wird sie dem Fall von den zwei verschwundenen Teenager Dylan und Holly zugewiesen, wobei sie den Frischling DC Kharim (Taheen Modak) anlernen soll. Doch als sie die betroffenen Eltern aufsucht, erlebt sie eine böse Überraschung: Mit Sean Meredith (Jonas Armstrong), dem Stiefvater der vermissten Zwillinge, schob sie am Abend zuvor nach einem Karaoke-Auftritt mit ihren Kolleginnen hinter dem Pub eine schnelle Nummer. Doch diese Tatsache soll aus verschiedenen Gründen geheim bleiben, schließlich will sie weder die bereits wieder schwangere Mutter der Zwillinge, Jess (Chanel Cresswell), damit konfrontieren, dass ihr Mann sie betrogen hat, noch will sie wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen werden. Also löscht sie erst einmal heimlich die Aufnahmen der Überwachungskamera in dem Pub vom besagten Abend. Als sei die berufliche Situation nicht schon aufreibend genug, entgleiten ihr ihre eigenen Teenager-Kinder immer mehr. Während sich Rob (Art Parkinson) in einem Online-Forum immer neuen Mutproben stellt, um seinem Leben etwas Pepp zu verleihen, freundet sich die wegen einer Prügelei von der Schule suspendierten Abbie (Imogen King) mit dem charismatischen Vincent (Adam Long) an, der Abbie schließlich für seine Drogengeschäfte einspannt. Bei den Ermittlungen machen Lisa, ihr Chef D.I Tony Manning (Daniel Ryan) und ihre Kollege Alexander Stewart (Simon Manyonda) allerdings nur langsam Fortschritte, denn es lassen sich kaum Zeugen dafür finden, was Holly und Dylan nach ihrem Besuch in dem Jugendzentrum gemacht haben. Derweil rückt Sean immer mehr in den Fokus der Ermittler. Er hat außer dem Quickie mit Lisa für eine Stunde in der betreffenden Nacht nämlich kein Alibi, außerdem noch Sex mit der Frau eines weiteren Kumpels, Geldprobleme und immer wieder Streit mit seiner Frau. Schließlich wird Dylans Leiche am Pier angespült, doch von Holly fehlt nach wie vor jede Spur …
Auch wenn sich „The Bay“-Serienschöpfer Daragh Carville („Middletown“, „The Smoke“) nicht viel Mühe gemacht hat, die Plot-Grundlagen von „Broadchurch“ für sein eigenes Projekt zu modifizieren, geht das Konzept der ersten Staffel voll auf. Morven Christie („Tödlicher Irrtum“, „The A Word“) mag zwar keine Olivia Colman sein, aber die ehrgeizige Polizistin, die Job und Kindererziehung nur mit Unterstützung ihrer verständnisvollen Mutter Penny (Lindsey Coulson) mühsam miteinander geregelt bekommt, verkörpert überzeugend eine selbstbewusste und taffe Polizistin aus Leidenschaft, die einfühlsam mit der betroffenen Familie der Opfer umgehen und knallhart bei Verhören sein kann.
Geschickt werden erst nach und nach die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen entwirrt, Puzzleteile freigelegt und zusammengefügt, Andeutungen und Fragestellungen konkretisiert, vage Indizien zu handfesten Beweisen geformt. Dabei nimmt sich „The Bay“ viel Zeit, um neben der Suche nach Holly und dem Mörder ihres Bruders auch die familiären Umstände sowohl bei Lisa und als auch Sean überzeugend zu thematisieren, so dass die erste Staffel als vertracktes Whodunit-Drama mit vielschichtigen Figuren, starken Darstellern, stimmungsvoller Kulisse und atmosphärisch dichter Musik von Samuel Sim („The Mill“, „Home Fires“) für kurzweilige Krimi-Unterhaltung sorgt.

"The Bay" in der IMDb