A Beautiful Day
Die schottische Filmemacherin Lynne Ramsay konnte bereits mit ihrem dritten Film, „We Need to Talk About Kevin“ (2011), Publikum und Kritiker weit über die britischen Grenzen hinaus begeistern und gleich drei BAFTA-Nominierungen für den besten britischen Film, die beste Regie und Hauptdarstellerin Tilda Swinton einheimsen. Es sollte aber sechs Jahre dauern, bis sich Ramsey mit einem neuen Werk zurückmeldete, dem unbequemen Drama „A Beautiful Day“, das Joaquin Phoenix einmal mehr ermöglichte, seine außergewöhnlichen schauspielerischen Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Der Kriegsveteran und Ex-FBI-Agent Joe (Joaquin Phoenix) verdient sich seinen Lebensunterhalt als Auftragskiller im Milieu von Mädchenhändlern. Joe geht dabei recht rustikal mit einem Hammer zu Werke. Sein nächster Auftrag erweist sich allerdings als schwierig, verlangt doch niemand Geringerer als Senator Votto (Alex Manette), dass Joe seine minderjährige Tochter Nina (Ekaterina Samsonov) aus den Fängen eines organisierten Sexrings befreien und die Täter möglichst lange leiden lassen soll.
Joe besorgt sich im Baumarkt einen neuen Hammer und observiert das Bordell in Manhattan, in dem Nina vermutet wird. Die zwei Sicherheitskräfte sind wenig später ebenso erledigt wie jeder, der sich Joe in den Weg stellt. Schließlich findet Joe das gesuchte Mädchen und taucht mit ihm in einem einfachen Hotel unter, wo sie im Fernsehen vom Suizid des Senators erfahren. Doch das ist erst der Anfang einer gewaltreichen Odyssee. Erst stürmen das zwei Polizisten das Hotelzimmer und bringen Nina in ihre Gewalt. Zwar kann Joe einen der Cops im Zweikampf töten, doch dann trifft er nicht nur seinen Auftraggeber John McCleary (John Doman) ermordet vor, sondern auch seine demente Mutter (Judith Roberts), um die sich Joe rührend gekümmert hat. Joe kommt einer Verschwörung auf die Spur, in die auch Gouverneur Williams (Alessandro Nivola) verwickelt zu sein scheint…
Kritik:
Nach dem Roman „You were never really here“ (so auch der Originaltitel des Films) von Jonathan Ames hat Lynne Ramsay ein intensives Drama geschaffen, dessen gebrochener Protagonist durchaus an ikonische Figuren wie Jean Renos „Léon – Der Profi“ oder Robert De Niros „Taxi Driver“ erinnern lässt, die ebenfalls ein Herz für unschuldige Mädchen entwickeln. Hätte Ramsay die Hauptrolle an Jason Statham, Sylvester Stallone oder Liam Neeson vergeben, wäre aus „A Beautiful Day“ wohl ein brutaler Action-Reißer geworden, doch auch wenn brutale Gewalt gewiss nicht zu kurz kommt, liegt der Fokus des Films auf der psychischen Labilität des Kriegs-Veteranen, der die Erlebnisse seiner Vergangenheit nicht verarbeitet hat.
So begibt er sich immer wieder in selbstmordgefährdende Grenzsituationen, wenn er sich eine Plastiktüte über den Kopf zieht, bis er kaum noch Luft bekommt, wird von Flashbacks heimgesucht, die sowohl mit seiner Kindheit als auch dem Krieg zusammenhängen. Für Joaquin Phoenix („Her“, „Signs“) stellt Joe eine Paraderolle dar, in der er sein ganzes Spektrum souverän ausspielen kann. Der mit großen Narben übersäte, gedrungene Körper bildet dabei ein Spiegelbild von Joes zerrütteter Seele. Wie ein Zombie bewegt sich Joe nahezu unbemerkt durch New Yorks nächtliche Straßen. Unliebsamen Zeitgenossen verpasst er kurzerhand eine harte Kopfnuss oder gleich einen tödlichen Schlag mit dem Hammer. Joe fackelt nicht lange, geht keine Kompromisse ein. Gewalt ist hier nur Mittel zum Zweck, unschuldige Mädchen aus den Fängen schlimmer Typen zu befreien.
Ein wenig versucht Joe, durch seinen Beitrag zur Gerechtigkeit seine eigene Unschuld zu bewahren, die er längst verloren hat. Insofern stellt das Finale des symbolträchtigen Films eine ebenso trügerische wie hoffnungsvolle Erlösung dar.
Lynne Ramsay hat mit „A Beautiful Day“ ein stilistisch faszinierendes, erzählerisch sehr reduziertes Thriller-Drama geschaffen, das von Radioheads Jonny Greenwood ungewöhnlich elektronisch untermalt wird und von einem brillant auftretenden Joaquin Phoenix getragen wird.
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