Die Kehrseite der Medaille
Mit seinen ersten drei Filmen „Sex, Lügen und Video“ (1989), „Kafka“ (1991) und „König der Murmelspieler“ (1993) hat sich der ehemalige Musikvideo-Regisseur Steven Soderbergh („Yes: 9012 Live“) zum Liebling des Arthouse-Kinos gemausert. 1995 nahm er sich Don Tracys Roman „Criss-Cross“ vor, den Robert Siodmak bereits 1949 mit Burt Lancaster in der Hauptrolle als schwarzweißen Noir unter dem Titel „Gewagtes Alibi“ verfilmt hat. Soderbergh verwendet zwar artifizielle Farbeffekte, doch strahlt sein Remake durchweg eine triste, unheilvolle Atmosphäre aus.
Nachdem ihn seine Wettschulden in eine äußerst prekäre Lage gebracht hatten, hat Michael Chambers (Peter Gallagher) vor zehn Jahren nicht nur seine Heimatstadt Austin, Texas, sondern auch seine Frau Rachel (Alison Elliott) verlassen. In der Hoffnung, dass mittlerweile Gras über all die Sachen gewachsen ist, macht sich Michael mit dem Bus zurück nach Hause, um die Hochzeit seiner Mom (Anjanette Comer) mit Ed (Paul Dooley) zu feiern, der als Fahrer bei einer Geldtransportfirma arbeitet. Weniger erfreulich verläuft das Wiedersehen mit Rachel, die mittlerweile mit dem Nachtclubbesitzer Tommy (William Fichtner) liiert ist und ihrem Ex verständlicherweise noch immer nachträgt, dass er sie - ohne ein Wort zu verlieren - sitzen gelassen hat. Um Rachel zurückzugewinnen und seinem neuen Leben Stabilität zu verleihen, nimmt er Eds Angebot an, ebenfalls in seiner Firma als Fahrer zu arbeiten. Während Michael und Rachel sich wieder einander annähern, kommt ihnen Tommy auf die Schliche. Um seinen zwielichtigen Widersacher zu beruhigen, schlägt Michael ihm einen Job vor, bei dem es um die Wochenendeinnahmen der Geschäfte geht, die Michael und Ed am Montag in ihrem gepanzerten Wagen einsammeln und bei der Bank abliefern, in der auch Michaels Bus-Bekanntschaft Susan (Elisabeth Shue) arbeitet. Mit seinem Anteil will Michael mit Rachel irgendwo anders ein neues Leben aufbauen, fernab von seinem eifersüchtigen Bruder David (Adam Trese), dem Gauner Tommy. Doch der Coup bringt nicht allen Beteiligten Glück…
Kritik:
Nachdem Peter Gallagher bereits in Soderberghs Debüt „Sex, Lügen und Video“ eine tragende Rolle übernommen hatte, verkörpert er in „Die Kehrseite der Medaille“ einen Mann, der mal Glück, aber immer wieder auch Pech bei seinen Wetten hatte und bei seiner Rückkehr in seine Heimatstadt feststellen muss, dass ein Neubeginn schwieriger ist als erhofft. Soderbergh inszeniert eine Welt, in der eine Atmosphäre von Gier, Neid, Hass und Trostlosigkeit regiert. Mit ausdrucksstarken Farbfiltern taucht er seine Figuren in rotes, grünes und blaues Licht, entfremdet sie der Welt und lässt sie um sich selbst kreisen. Hier ist jeder nur um sein eigenes Glück besorgt, und alles, was dem entgegensteht, wird zu zerstören versucht. Für Michael und Rachel kann es als Paar keine Erlösung geben. Der mit dem brutalen Tommy ausgeheckte Überfall auf den Geldtransporter wird die Probleme nicht lösen, die vor allem Michael sein Leben lang mitschleppt, und auch Rachel trägt schwer an der Bürde, vor zehn Jahren von Michael verlassen und von dessen Bruder auf erpresserische Weise bedrängt worden zu sein.
Soderbergh bringt seinen Zuschauern die vom Scheitern geprägten Figuren allerdings nicht nahe. Dazu legt er zu viel Wert auf die unterkühlte Inszenierung, die durch den elektronischen Score von Cliff Martinez noch verstärkt wird. Als stilistische Fingerübung kann „Die Kehrseite der Medaille“ durchaus punkten, und auch die Darsteller überzeugen in ihren Rollen, auch wenn diese kaum tiefgründig ausgeleuchtet werden. In späteren Filmen wie „The Limey“ und „Traffic – Macht des Kartells“ gelingt es Soderbergh weitaus besser, sein stilistisches Geschick mit den psychologischen Profilen seiner Figuren zu vereinen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen