Babylon - Rausch der Ekstase
Mit seinen drei letzten, jeweils Oscar-prämierten Filmen „Whiplash“ (2014), „La La Land“ (2016) und „Aufbruch zum Mond“ (2018) avancierte der US-amerikanische Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Damien Chazelle innerhalb weniger Jahre zum neuen Hollywood-Wunderkind. Entsprechend groß waren die Erwartungen an sein nächstes Projekt. Zwar ging das mehr als dreistündige, in den Goldenen Zwanzigern angesiedelte Epos „Babylon – Rausch der Ekstase“ bei ohnehin nur drei Nominierungen bei der Oscar-Verleihung leer aus, doch sehenswert ist die rauschhafte Hommage an die Magie des Kinos allemal.
Manuel „Manny“ Torres (Diego Calva), der Sohn mexikanischer Einwanderer, träumt von einer Karriere im US-amerikanischen Kino der 1920er-Jahre. Um dort einen Fuß in die Tür zu bekommen, lässt er sich dafür anheuern, einen Elefanten zu einer der legendären Partys auf dem Anwesen Kinoscope Studioboss Don Wallach zu bringen. Auf dem Partygelände lässt Manny nichts unversucht, jede Art von Hilfsjob in Hollywood anzunehmen. Dabei lernt er die aus Jersey stammende Nellie LaRoy (Margot Robbie) kennen, die zwar noch in keinem Film mitgewirkt hat, sich aber bereits für einen Star hält und sich entsprechend selbstbewusst in Szene setzt. Manny ist von ihrem Auftreten ebenso hingerissen wie von dem großen Hollywood-Star Jack Conrad (Brad Pitt), der allerdings nur noch in unbedeutenden Kostümschinken zu sehen ist. Nachdem Conrad fürchterlich abgestürzt ist, bringt Manny ihn nach Hause und bleibt bei ihm, worauf Conrad ihn als seinen Assistenten engagiert.
Ebenso wie Nellie, die trotz fehlender Oberweite für eine ausgefallene Darstellerin einspringen darf und die Chance mit einem frivolen Auftritt nutzt, beginnt auch Manny die Karriereleiter in Hollywood emporzuklettern, allerdings verlieren sich Manny und Nellie zunächst aus den Augen. Erst als sich der Tonfilm durchzusetzen beginnt und Manny für Jack nach New York reisen soll, um von einer Premiere zu berichten, wobei er Nellie wiedersieht. Während Jacks Karriere im Tonfilmzeitalter im Sinkflug begriffen ist, wird Manny von einem Konkurrenzstudio abgeworben und zum Studioleiter befördert.
Da Nellie durch ihre Drogen- und Spielsucht in den 1930er Jahren kaum noch wiederzuerkennen ist, versucht Manny, sie in seinem Studio unterzubringen, doch ihre Probleme bekommt er damit nicht in den Griff, zumal sie ausgerechnet bei Mafia-Boss James McKay (Tobey Maguire) Spielschulden in Höhe von 85.000 Dollar anhäuft…
Kritik:
Damien Chazelle trug die Idee zu „Babylon – Rausch der Exstase“ bereits seit über 15 Jahren mit sich herum, als er nämlich nach Los Angeles umzog und sich von Meisterwerken wie Federico Fellinis „Das süße Leben“ (1960), Robert Altmans „Nashville“ (1975) und Francis Ford Coppolas „Der Pate“ (1972) dazu inspirieren ließ, einen epischen Film mit vielen Figuren zu machen, mit denen er die Kompromiss- und Rücksichtslosigkeit, die Extravaganz und Größe der frühen Ära Hollywood einfangen wollte.
Doch das dreistündige Epos ist weit mehr als eine bloße Verbeugung vor den vom wirtschaftlichen Aufschwung geprägten Goldenen Zwanzigern. Mit dem sprühenden Elefanten-Durchfall gleich zu Beginn und der anschließenden exzessiven Party mit öffentlich praktiziertem Sex, Natursekt-Einlage und der Penetration mit einer Champagner-Flasche in den Allerwertesten markiert Chazelle die Eckpunkte der rauschhaften, hedonistischen und hemmungslosen dunklen Seite der Filmindustrie, während sich der bestbezahlte Hollywood-Star Jack Conrad so unberührt und lässig in der ausschweifenden Szenerie gibt, als sei dieses Spektakel gewohnter Alltag.
Tatsächlich hat Conrad bereits alles gesehen und erlebt, so dass er sich nicht zu schade ist, in Zukunft auch in bekanntlich schlechten Produktionen mitzuwirken. Während die an Clark Gable und Douglas Fairbanks angelehnte Figur von Jack Conrad nachvollziehbar macht, wie ehemalige Stars der Stummfilm-Ära den Übergang zum Tonfilm nicht überleben, verkörpert Nellie LaRoy den Aufstieg und Fall eines Hollywood-Sternchens. Margot Robbie („Suicide Squad“, „Tonya“) ist die Rolle dieser energischen und doch so zerbrechlichen Frau wie auf den Leib geschrieben und bildet mit ihrer atemberaubenden Performance die treibende Kraft des temporeichen Films. Dabei geht „Babylon – Rausch der Exstase“ in der Figurenzeichnung nicht allzu sehr in die Tiefe. Jack Conrad, Nellie LaRoy und der Mafioso James McKay wirken wie markante Typen im Filmzirkus, der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Neben dem überzeugenden Ensemble sind es vor allem der fantastische, jazzig angehauchte, sehr treibende Score von Justin Hurwitz („La La Land“, „Whiplash“), die furiosen Kamerafahrten von Linus Sandgren („Der Nussknacker und die vier Reiche“, „James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben“) und das üppige Setdesign von Florencia Martin („Licorice Pizza“, „Blonde“), die „Babylon – Rausch der Exstase“ zu einem sinnlichen Kinoereignis machen.
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