Erin Brockovich

In der durchaus wechselhaften Karriere von Steven Soderbergh stechen die drei Jahre seit 1998 besonders heraus. Da hatte der ambitionierte Filmemacher mit der Gauner-Romanze „Out of Sight“ (1988), dem Thriller „The Limey“ (1999), dem Episodendrama „Traffic – Macht des Kartells“, dem Justizdrama „Erin Brockovich“ (beide 2000) und der Gauner-Komödie „Ocean’s Eleven“ (2001) seine beste Zeit. Schließlich heimste „Traffic“ gleich vier Oscars ein, darunter für die Beste Regie. Das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama „Erin Brockovich“ wiederum stand ganz im Zeichen der Hauptdarstellerin Julia Roberts, die für ihre temperamentvolle Darstellung ebenfalls einen Oscar erhielt. 

Inhalt: 

Die alleinerziehende, zweifach geschiedene Erin Brockovich (Julia Roberts) ist mal wieder auf der Suche nach einem Job, doch mit ihrem losen Mundwerk und den fehlenden Qualifikationen erweist sich das Klinkenputzen als schwierig. Zu allem Überfluss wird sie auch noch auf der Kreuzung von einem anderen Fahrzeug gerammt. Ihr Anwalt Ed Masry (Albert Finney) gibt sich siegesgewiss, doch als Zeugin versagt Erin ebenso kläglich wie ihr Anwalt, so dass sie nicht weiß, wie sie sowohl die horrende Arztrechnung als auch den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder bezahlen soll. Mit ihrer nachdrücklichen Art gelingt es Erin immerhin, dass Masry ihr einen Job in seiner Kanzlei gibt, wo sie mit ihrer aufreizenden Kleidung und ihrem schnippischen Plappermaul von ihren Kolleginnen gemieden wird. Doch Erin boxt sich durch und soll einen Fall bearbeiten, bei dem Pacific Gas + Electric Co. nach und nach Land zurückkauft, das die Firma zuvor mit lebensbedrohlichem Chrom kontaminiert hat. Während sich ihr neuer Nachbar George (Aaron Eckhart) liebevoll um ihre Kinder kümmert, besucht Erin die Familien im Umland von Pacific Gas + Electric, wo es auffallend viele Fälle von Krebs und anderen schweren Krankheiten zu verzeichnen gibt. 
Während Erin kämpferisch alles daran setzt, dass Pacific Gas + Electric auf Schadensersatz verklagt wird, fühlt sich Masry der Herkules-Aufgabe nicht gewachsen und zieht den auf solche Klagen spezialisierten Kollegen Kurt Potter (Peter Coyote) hinzu, der die besten Chancen darin sieht, den Fall vor einem Schiedsgericht verhandeln zu lassen. Doch dafür braucht es die Unterschriften nahezu aller Geschädigten… 

Kritik: 

Als Rechtsanwaltsgehilfin in der Kanzlei Masry & Vititoe war Erin Brockovich 1993 mit den Folgen von Grundwasserverseuchungen in der kalifornischen Kleinstadt Hinkley durch Pacific Gas and Electric (PG&E) in den 1950er und 1960er Jahren beschäftigt und verhalf den Geschädigten durch ihren unermüdlichen Einsatz zu einer Sammelklage, die 1996 mit der Zahlung von 333 Millionen US-Dollar beigelegt wurde. Das klingt nach einem klassischen John-Grisham-Stoff, doch verzichten Soderbergh und seine Drehbuchautorin Susannah Grant („Auf immer und ewig“, „28 Tage“) auf die Auseinandersetzungen im Gerichtssaal und fokussieren sich ganz auf ihre temperamentvolle Protagonistin. Julia Roberts fühlt sich spürbar wohl dabei, sich vom gefälligen „Pretty Woman“-Image lösen zu können und ein offenherziges Sex-Appeal mit einer derben Sprache zu präsentieren. Soderbergh ist mit seiner Kamera stets nah bei ihr dran, stellt sie bei jeder Gelegenheit in den Mittelpunkt des Geschehens, selbst bei einem wichtigen Meeting mit den gegnerischen Anwälten, denen sie natürlich ordentlich die Leviten liest. 
Erin Brockovich hat aus der Not heraus gelernt, für sich selbst einzustehen. Sie emanzipiert sich durchschlagskräftig in einer von Männern regierten Welt, dient aber auch anderen Frauen als Vorbild, wenn sie sich aufopferungsvoll um die Opfer der Trinkwasserverseuchung kümmert und ihnen zu ihrem Recht verhilft. Diese strenge Fokussierung auf die Titelfigur nimmt allerdings auch den Raum für die Charakterisierung der Nebenfiguren ein. Da vermag eigentlich nur Albert Finney („Big Fish“, „Die Bourne Identität“) als altgedienter Anwalt mit dem Herzen am rechten Fleck mitzuhalten, und auch Aaron Eckhart nutzt seine wenigen Szenen in der ungewohnten Rolle eines Harley-Davidson-Rockers und Kinderbetreuer, um etwas Eindruck zu hinterlassen.  
Soderbergh ist mit „Erin Brockovich“ – das reale Vorbild für Julia Roberts‘ Rolle ist übrigens kurz als Kellnerin zu sehen – ein angenehm unprätentiöses, kurzweiliges Drama gelungen, das durch seine geradlinige Inszenierung, pointierte Dialoge und eine Julia Roberts in Bestform überzeugt.  

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